Himmelsvolk
von ihnen hatten den Menschen überhaupt jemals gesehen.
Zweites Kapitel
Die Ankunft des Elfen
Es mochte nach der Zeitrechnung der Menschen zwischen Pfingsten und Ostern sein, als im Frühling dieses gesegneten Jahres ein niegesehenes Ereignis die Bewohner der Waldwiese in Erregung und Entzücken versetzte. Es war an einem unbeschreiblich hellen Sonnenmorgen, das Land duftete vom Regen der Nacht, und die Frische war so beseligend im Licht, daß die Freude aller Lebendigen wie ein einziger Jubel durch den Wald hallte. Über den Primeln in der Lichtung und über den blauen Sternen der Leberblumen sang eine Grasmücke, sie war ganz in ihr Lied versunken, ihr Kopf war voll Hingabe in das blaue Glänzen des Himmels erhoben, und es sah aus, als wäre sie ganz verzückt von Daseinslust. Ihr Lied klang unter den hellen Schleiern des jungen Buchengrüns dahin, das von der Sonne wie Gold leuchtete, und zwischen den Stämmen der Tannen ließ die Ruhe der Waldeinsamkeit die Töne in ihre dunklen Tore einziehen. Nah und fern, überall, wo es grün und hell war, zwitscherte und jubilierte es, kein Wesen war in der Lage, traurigen Gedanken nachzuhängen. Und über dem Frühlingsglück der Ihren zog die strahlende Sonne hoch im Blauen ihre Gnadenbahn.
Es war ein Tag, ach, wer vermag so viel Überschwang zu fassen?! Überall blühte es, tief unten im Tau trieb das Moos am Boden seine smaragdgrünen, dichten Wäldchen, und in den Baumwipfeln öffnete sich Blüte neben Blüte in der Sonnenfreiheit.
Als die Grasmücke, nachdem sie ihre Lieder beendet hatte, sich in den Waldgrund niederließ, um nach einem Morgentrunk Umschau zu halten, traf sie den Maulwurf an einer Baumwurzel im Eingang zu seinem unterirdischen Höhlenbau.
»So ein Tag lockt sogar Sie heraus, wie?« fragte sie freundlich, trat aber doch etwas zur Seite, man weiß nie recht, bei so einem Maulwurf ...
Der Alte schüttelte den Kopf und blinzelte:
»Die Wärme,« sagte er, »die Wärme ist mir bisweilen ganz recht, aber dieses Übermaß an Licht kann mir gestohlen werden. Kommen Sie einmal mit herunter, meine Liebe, treten Sie ein! Sie werden Wunder an Behaglichkeit erleben. Alles ist dämmrig, kühl und still, und dabei von einer Gleichmäßigkeit der Temperatur, daß man gedeiht wie ein Kürbis. Dabei brauche ich nicht hinter jeder Fliege oder Mücke herzujagen wie Sie, Würmer und Engerlinge dringen sozusagen von selbst in meine Gänge ein, morgens liegen sie da und warten, daß sie gefressen werden. Das nenne ich so recht ein Leben nach dem Herzen Gottes.«
»O pfui Teufel«, sagte die Grasmücke und lachte. »Aber so sind Sie, genau wie ein Maulwurf. Wenn ich Sie nicht schon länger kennte, würde ich überhaupt nicht mit Ihnen reden, an Sie muß man sich erst gewöhnen, verstehen Sie? Ach, wenn Sie Einsehen hätten, aber Sie sind verbohrt, das kommt von Ihrer langweiligen Beschäftigung, sonst würde ich Ihnen erklären, wie man lebt, um glücklich zu sein. Vor allen Dingen muß ein Haus gegen den Himmel geöffnet sein, das ist die erste Vorbedingung für ein heiteres Herz. Glauben Sie, wir Vögel würden so viel singen, wenn wir nicht Wohnungen hätten, die weit gegen den Himmel offen sind?«
Der Maulwurf blinzelte, und sein breiter Grabfuß, der innen rosa gefärbt war, scharrte die Erde ein wenig beiseite.
»Bilden Sie sich etwas auf Ihre Nester ein?« fragte er, ehrlich erstaunt. »Wer hätte das für möglich gehalten! Wenn Sie das meine nur einmal erblickt hätten, würden Sie vor Neid und Mißmut Ihre Eier künftig ins Gras legen. Was tun Sie denn viel? Sie tragen ein paar dürre Äste zusammen, Heu, bestenfalls ein Pferdehaar, Gerümpel sozusagen, werfen alles durcheinander und hocken sich mitten hinein. Hinterher zu sagen, der Himmel schiene hinein, ist nicht schwer, denn was bleibt dem Himmel anderes übrig? Er ist jeden Tag da, regnet oder leuchtet, und es ist ihm wahrscheinlich höchst gleichgültig, ob er Ihren Hausrat an einer Stelle oder an verschiedenen Orten am Boden zerstreut bescheint. Und deshalb meinen Sie nun, Sie müßten singen? So sind also Vögel! Gut, daß ich es endlich weiß.«
»O du lieber Gott, Sie Maulwurf«, sagte die Grasmücke, ganz betroffen von so viel Einseitigkeit der Betrachtung. »Aber wer wird sich die Mühe machen, einen solchen halbblinden Popanz zu überzeugen, der überall nach Schmutz und Schlamm sucht, nur um seine Nase hineinbohren zu können. Was tun Sie denn eigentlich sonst? Sie suchen nach schwarzem
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