Himmlisch Verliebt
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»VIELEN DANK!« , sage ich und lächele in die jubelnde Menge.
Es wird ruhig, und ich blinzele in die Scheinwerfer und beuge mich in Richtung Mikrofon. »Sie werden es vielleicht nicht wissen, aber ich arbeite schon seit meinem sechsten Lebensjahr als Reporterin.« Mein Preis – ein gusseiserner Federkiel mit Tintenfass – ist ziemlich schwer. Ich muss ihn auf dem Podium abstellen. »Als Tommy Mulholland damals Britney Jones auf der Schaukel küsste, war ich die Erste, die das auf dem Spielplatz publik machte.« Unter mir, in der ersten Reihe des großen Saals, fängt Mum zu lachen an.
»Aber die Wahrheit war schon immer mein größtes Anliegen, also musste ich auch berichten, dass Britney den Kuss mit einem Schlag erwiderte.«
Jetzt lachen alle.
»Seit dieser Zeit habe ich versucht, der Wahrheit überall auf der Welt nachzugehen, um damit den Stummen eine Stimme, den Hilflosen Hoffnung und den Schwachen, äh – Stärke zu geben.«
Ich kann Dad neben Mum sitzen sehen und wie sein Gesicht vor Stolz strahlt.
»Mum, Dad, danke für euren Glauben an mich und eure Unterstützung. Und ...« – ich habe einen Kloß im Hals – »Ben, Bruderherz, dein Mut und dein Charakter waren meine Inspiration.«
Er lächelt breit. Das bedeutet mir mehr als jeder Preis.
Meine Augen füllen sich mit Tränen, und ich halte die Hände vors Gesicht. Aus dem Saal höre ich Geräusche vom Zurückschieben der Stühle. Ich spähe durch meine Finger, das Publikum ist aufgestanden. Und jetzt klatschen sie wieder los! Der Applaus reißt mich mit.
»Gemma! Gemma!« Sie rufen meinen Namen.
»Und ein großes Dankeschön an all meine lieben Leser.« Ich schlucke einen Schluchzer hinunter. »Ohne eure Unterstützung würde ich heute nicht hier stehen.« Ich nehme meinen Preis und halte ihn hoch. Auf einmal ist er leicht wie eine Feder. »Und an alle Verantwortlichen für Wörterbücher«, fahre ich fort, »tausend Dank für diese wundervollen Worte. Und auch an die Hersteller meiner Kugelschreiber, danke für die ... Tinte. Außerdem möchte ich den Herstellern meines Kalenders danken – ihr habt mich auf dem Laufenden gehalten – und Canon für den Drucker und Microsoft für Office und –«
»Gemma! Gemma!«
Ihre Rufe werden immer lauter. Ich fühle mich, als wäre ich Brangelina und Prinz Harry zugleich.
»Hey, Gemma! Was geht?«
Tracy?
Ich drehe mich um und erwache augenblicklich aus meinem Tagtraum. Das Publikum löst sich in eine Reihe von Mülltonnen auf, und der Preis in meiner Hand ist nur noch eine Flasche Sprite. Ich bin jetzt wieder in der Furniss Street, auf dem Weg zur Schule, und meine beste Freundin Tracy rennt auf mich zu, während ihre riesige Sporttasche auf dem Boden hinter ihr herschleift.
»Was hast du mit der Flasche gemacht?« Tracy steht vor mir und schwingt sich ihre Tasche über die Schulter. »Ich hab dich vom Bus aus beobachtet – du hast die Flasche nach oben gehalten, als wäre es die olympische Fackel oder so was.«
Meine Wangen beginnen zu glühen, und ich stopfe die Spriteflasche in meine Tasche. »Nichts, ich hab nur – ein bisschen trainiert.«
Tracy prustet vor Lachen. »Trainiert? Mit einer Flasche Sprite?«
»Ja, tatsächlich.« Meine Phantasie läuft auf Hochtouren. »Work-out mit Softdrinks ist gerade ziemlich angesagt bei den Promis. Man nennt es ›The soft way to work out‹.« Ich blinzele verstohlen zu Tracy. »Und das Beste ist: Man kann nach dem Training gleich einen Schluck nehmen.«
Tracy verdreht die Augen. »Ja, klar. Du hast wieder deine Dankesrede gehalten, stimmt’s?«
Ich grinse und nicke verlegen. Das Problem mit Tracy ist, dass sie mich zu gut kennt.
Sie hakt sich bei mir ein, als das Schultor in Sichtweite kommt. »Ich sag’s dir, du lebst zu sehr in deiner eigenen imaginären Welt.«
»Ja, aber da ist es auch viel lustiger.« Ich schlendere weiter, als ich ein paar aus der Elften an uns vorbeigehen sehe. »In der Neunten zu sein ist nicht leicht. Es sollte ›Das Nobody-Jahr‹ genannt werden.«
Tracy runzelt die Stirn. »Was meinst du?«
»Na, sie lassen dich halt spüren, dass du ein dicker, fetter Niemand bist. Du gehst nicht in die Abschlussklasse, bist aber auch nicht neu. Du machst gerade keinen Abschluss und darfst noch nicht im Kiosk arbeiten. Es ist, als würden wir gar nicht existieren. In der Neunten zu sein ist echt scheiße!«
Tracy zuckt mit den Schultern. »Ich mag es.«
»Ja, klar.« Ich schniefe. »Du magst Fußball
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