Highlander meiner Sehnsucht
Prolog
»Ich träumt’ von meiner Lady, von ihrem Kummer tief,
Ich träumte, ihr Lord war ein grausamer Chief:
Auf einem Fels im Meer die holde Ellen war zu schau’n;
Glenara! Glenara! Nun deut’ mir meinen Traum!«
– Aus »Glenara« von Thomas Campbell, 1777–1844
Der Firth of Lorn, ein Fels zwischen Lismore und Mull
An einem kalten Wintertag, vor beinahe hundert Jahren, wurde ein Fluch geboren.
Lady Elizabeth Campbell Maclean würde nicht betteln. Nicht um seine Liebe und nicht um ihr Leben. Doch sie hatte Angst. Größere Angst, als sie jemals in ihrem kostbar kurzen Leben verspürt hatte. Sechsundzwanzig Jahre war viel zu jung zum Sterben.
Mit jeder Minute, die verstrich, musste Elizabeth stärker darum kämpfen, ihren Schwur zu halten. Doch sie wusste, dass ihre flehenden Bitten auf taube Ohren stoßen würden, wenn sie sie laut ausspräche. Und dieses Wissen hielt sie mehr als alles andere davon ab, auf die Knie zu fallen und um Gnade zu flehen.
Denn er kannte keine Gnade.
Er sah sie nicht einmal an. Lachlan Cattanach Maclean, der Chief der Macleans. Ihr Gemahl. Der Mann, den zu lieben sie töricht genug gewesen war. Ihr Blick heftete sich auf die vertrauten stattlichen Züge, das raue, von Kampfnarben gezeichnete Gesicht, die durchdringenden blauen Augen, den breiten Mund und das harte, unerbittliche Kinn, und
das Herz zog sich ihr zusammen. Selbst angesichts dieses höchsten Verrates, konnte sie seine Anziehungskraft nicht leugnen.
Lachlan Cattanach war ein Bollwerk männlicher Stärke. Ein mächtiger Highland-Chief. Und unbeirrbar.
Genau jene Eigenschaften, die sie einst bewundert hatte – seine stählerne Entschlossenheit, seine unerschütterliche Zielstrebigkeit –, hatten sich nun gegen sie verschworen. Er hatte seine Entscheidung getroffen.
Sie war so gut wie tot.
Einer der luchd-taighe, Wachmänner ihres Gatten, nahm sie bei der Hand und half ihr mit einer Höflichkeit aus dem birlinn , die seine mörderische Aufgabe Lügen strafte. Beinahe hätte sie über diese Absurdität gelacht, doch sie befürchtete, wenn sie anfing zu lachen, dann könnte sie das in einen Abgrund der Hysterie stürzen, aus dem sie vielleicht nie mehr zurückkehren würde.
Ein unwillkürlicher Schauer durchlief sie, als ihr Fuß den harten, unnachgiebigen Felsen berührte. Der Impuls, sich in die Sicherheit des Bootes zurückzuziehen, war stark, doch sie wusste, dass man sie nur wieder herauszerren würde. Entschlossen zwang sie sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ihr Herz mochte zwar in Scherben liegen, doch sie würde ihm nicht die Genugtuung geben, ihrem Stolz dasselbe anzutun.
Tief holte sie Luft, dann ließ sie zu, dass der Wachmann ihr die Handgelenke fesselte. Mit einem unbehaglichen Seitenblick, beinahe wie eine Bitte um Vergebung, band der Clansmann das andere Ende des Seils an die Boje, die die vorbeifahrenden Schiffe auf die Gefahr, die von dem Felsen ausging, aufmerksam machen sollte. Es war eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, sie an dem Felsen zu vertäuen. Sie konnte nicht schwimmen. Sie konnte nichts anderes tun … als untergehen.
Ein Angstschauer jagte ihr über den Rücken. Ihre Sinne waren unnatürlich geschärft, sie nahm alles um sich herum mit einer schmerzhaft rauen Intensität wahr, vom winzigsten Tropfen eisiger Gischt bis hin zu jeder einzelnen stachligen Faser des Seils, das in die zarte Haut ihrer Handgelenke schnitt. Doch am stärksten fühlte sie den quälenden Schmerz ihres brechenden Herzens.
Guter Gott, wie konnte er ihr das nur antun? Wie konnte er sie so sterben lassen? Bei lebendigem Leibe von den unerbittlich steigenden Fluten verschlungen? Klagend protestierte ihr das Herz in der Brust, als sie sich die grausame Wahrheit eingestehen musste.
Ihr Gemahl wollte sie nicht mehr. Er hatte bereits eine andere gefunden, die ihren Platz einnehmen würde. Doch er wollte nicht riskieren, den mächtigen Campbell-Clan – und damit ihren Bruder, den Earl of Argyll – zu verärgern, indem er sie verstieß. Also hatte er diesen barbarischen Plan ersonnen.
Sie wünschte, er würde ihr einfach die Kehle durchschneiden. Doch er wollte, dass es wie ein Unfall aussah. Eine ertrunkene Ehefrau war viel einfacher zu erklären als eine mit durchgeschnittener Kehle.
Ein heftiger Windstoß wehte übers Meer und ließ sie vor Kälte erstarren. Sie musste sich anstrengen, auf dem glatten Felsen nicht den Halt zu verlieren. Ihre Zähne klapperten. Da sie nur einen
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