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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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kein Rauch aus den Nüstern, aber einen solchen Hinweis brauchte ich nicht, um das Geschöpf zu identifizieren. Die orangefarbenen Augen hatten schmale rote Pupillen, die bei meinem Anblick größer wurden, wie die einer Katze, die eine neue Art von Maus erspähte. Der Kopf kam durch das Loch im Dach – er saß am Ende eines unglaublich langen Halses –, und als sich das Maul öffnete, wurden spitze gelbe Zähne sichtbar. Ich erstarrte mit dem warmen, stinkenden Atem des Wesens im Gesicht, so nahe, dass meine Augen zu tränen begannen. Dann rastete der Golem endgültig aus und rannte nackt und kreischend vor den Augen des Drachen durchs Zimmer, womit er den Blick der orangefarbenen Augen auf sich zog. Der Golem stürmte durch den Vorhang in der Tür, und der Kopf des Drachen folgte ihm. Der lange Hals strömte wie ein Fluss aus Schuppen an mir vorbei, und Klauen rissen das Dach weiter auf, um genug Platz für den Körper zu schaffen.
    Ich krabbelte unter dem Tisch hervor und packte Billy, der sich das Hemd vom Leib gerissen hatte. Er schlug sich immer wieder auf die Brust, und seine Fingernägel hinterließen rote Striemen auf ihr. »Billy!« Ich fasste ihn am Handgelenk und wollte ihn unter den Tisch ziehen, aber er war zu schnell. Er lief nach hinten, zu der kleinen Tür neben der Pritsche, die ich nie geöffnet gesehen hatte, woran sich jetzt nichts ändern sollte. Vielleicht diente sie allein dekorativen Zwecken, aber das schien Billy nicht zu verstehen. Er hämmerte auf sie ein und zerrte am Türknauf, bis er sich schließlich von der Tür löste. Ich beobachtete ihn verwirrt. So hatte ich ihn nie zuvor gesehen, und ich wusste nicht, wie ich ihn zur Ruhe bringen sollte. Hinzu kam: Als Mensch war Billy eins achtzig groß. Ohne eine Waffe konnte ich ihn kaum überwältigen, und die einzigen, die mir zur Verfügung standen – die Knarre und mein Armband – hätten ihn in seiner neuen Gestalt getötet.
    Aus dem vorderen Teil des Gebäudes kamen jede Menge Geheul, Flüche und das Krachen mehrerer Explosionen. Dann zischte es wie von starkem Wind, und es folgte ein Geräusch wie von hundert startenden Hubschraubern. Ich hob den Kopf und sah, wie der Drache mit schwarzen, ledrigen Schwingen aufstieg und kreischte. Die Hälfte seiner Schnauze fehlte, verschwunden in einem rauchenden Loch, und die großen Flügel wiesen Löcher auf, was sie jedoch nicht daran hinderte, mit jedem Schlag einen kleinen Orkan zu verursachen.
    Wenige Sekunden später flog das riesige Wesen hoch über den friedlichen grünen Wiesen in Richtung der fernen, bewaldeten Hügel.
    Billy sank an der Tür zu Boden, die Hände am zerkratzten Holz und seine Finger blutig. Er schluchzte herzergreifend, aber wenigstens spielte er nicht mehr verrückt. Ich versuchte gerade, ihn zur Vernunft zu bringen, als Pritkin hereingelaufen kam, gefolgt von Mac und Marlowe. Der Vamp trug keine Fesseln irgendeiner Art, stellte ich mit wachsendem Ärger fest. Und er hielt sofort auf Tomas zu. »Pritkin! Halten Sie ihn auf!« Ich eilte durchs Zimmer, während der Magier einfach nur dastand und ungläubig den zu Fleisch und Blut gewordenen Billy anstarrte. Von der anderen Seite sprang ich unter den Tisch und bekam Marlowes Handgelenk zu fassen, bevor er Tomas ins Licht ziehen konnte. »Weg von ihm!«
    Er sah mich überrascht an, und nicht ohne Grund. Ein Mensch, der einen Meistervampir an irgendetwas zu hindern versuchte, indem er einfach nur seine Hand festhielt – das war absurd. Ich warf mich zurück, hob die Hand mit dem Armband und hoffte, dass es genügte, um die Dolche loszuschicken. Aber nichts geschah. Ich schüttelte den Arm und starrte aufs unbewegte Silber. Was war damit los?
    »Unsere Magie funktioniert hier nicht«, sagte Marlowe ruhig. »Ich will Tomas nichts antun, Cassie. Ob Sie’s glauben oder nicht, ich möchte nur helfen.« Klar, deshalb hatte er einfach dagesessen und zugesehen, wie Tomas aufgeschnitten wurde. Marlowes Ruf reichte bis ins elisabethanische Zeitalter zurück – damals war er Spion in Diensten der Königin gewesen – und hatte seitdem an Infamie gewonnen. Selbst wenn nur ein kleiner Teil der Geschichten, die man sich über ihn erzählte, der Wahrheit entsprach, wollte ich ihn nicht einmal in der Nähe von Tomas. »Weg von ihm«, wiederholte ich und fragte mich, was ich machen sollte, wenn er meiner Aufforderung nicht nachkam. Aber anstatt zu widersprechen oder auf stur zu schalten, kroch er unter dem Tisch hervor. Ich

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