Hinreißend untot
überprüfte Tomas’ Wunden, die offenbar nicht schlimmer geworden waren. Seine Lider hatten sich ein wenig gehoben, und er bewegte den Kopf.
»Ich höre ihn nicht«, sagte er seltsamerweise, und ein Ausdruck von Glückseligkeit breitete sich in seinem Gesicht aus. Dann schloss er die Augen, und sein Kopf fiel mit einem hörbaren Pochen auf den Fliesenboden. Mir blieb fast das Herz stehen, und rasch suchte ich nach einem Puls, den ich natürlich nicht finden konnte. Der Umstand, dass ich es überhaupt versuchte, sagt einiges über meine geistige Verfassung. Tomas schien in Ohnmacht gefallen oder in Trance zu sein, aber es gab keine absolute Gewissheit für mich. Tony war einmal in eine heimliche illegale Fehde mit einem anderen Meister verwickelt gewesen. Einer unserer Vamps verlor bei dem Kleinkrieg einen Arm und wurde halb ausgeweidet. Als man ihn zu uns zurückbrachte, nahm ich an, dass er tot war, aber Eugenie sprach von einer Heiltrance. Mehrere Wochen lang blieb er völlig reglos, bis er sich eines Abends aufsetzte und fragte, ob wir gewonnen hatten. Ich hoffte, dass sich Tomas in seiner solchen Trance befand, aber was auch immer der Fall sein mochte, ich konnte kaum mehr etwas für ihn tun. Vampire heilten sich selbst, oder eben nicht – es gab kaum Arzneien, die bei ihnen etwas ausrichteten. Das Problem bestand darin, ihm für die Selbstheilung lange genug Sicherheit zu gewähren.
Ich sah zu Pritkin. »Warum ist Marlowe nicht gefesselt oder so?«
»Weil wir ihn vielleicht brauchen«, lautete die grimmige Antwort. »Wissen Sie, wer er ist?«, fragte ich.
»Besser als Sie.« Pritkin wandte den Blick von Billy ab – der auf dem Boden saß, den Oberkörper vor und zurück neigte und dabei an die Wand starrte – und richtete ihn auf mich. Er war nicht zornig. Das hätte mich nicht überrascht, und ich wäre leicht damit fertig geworden. Es war etwas anderes. In Pritkins Augen brannte ein sonderbares Feuer, und sein Blick war wie ein Laserstrahl, der mich durchbohrte. Sein Gesicht erinnerte mich an ein in die Enge getriebenes Raubtier: tödlich, ernst und vollkommen konzentriert. »Lassen Sie mich Ihnen die Situation erklären«, sagte er, und er sprach schneller und schärfer als vorher, als käme es auf jede Sekunde an. »Wir haben das Feenland erreicht, aber nicht auf die unauffällige Art und Weise, die ich eigentlich geplant hatte. Der größte Teil unserer Magie funktioniert hier nicht, und wir haben eine begrenzte Anzahl von nichtmagischen Waffen. Ein Mitglied unserer Gruppe ist schwer verletzt, und zwei andere ticken nicht ganz richtig. Was alles noch schlimmer macht: Der Drache war der Wächter des Portals, und nachdem er nichts gegen uns ausrichten konnte, ist er losgeflogen, um Verstärkung zu holen. Wenn die Elfen noch nicht wissen, dass wir hier sind, werden sie es bald erfahren. Und wir können aus offensichtlichen Gründen nicht durch das Portal zurück.«
»Wird uns der Senat verfolgen?«, fragte ich und wusste nicht recht, ob ich eine Antwort wollte.
Pritkin lachte kurz, und es klang nicht sonderlich amüsiert. »Nein. Ohne eine Genehmigung wird er sich hüten. Wer das Feenland aufsucht, ohne vorher die Erlaubnis der Elfen einzuholen, fordert ein Todesurteil heraus. So wie wir.«
»Er meint, wir sitzen alle in einem Boot«, fügte Marlowe hinzu. »Ich habe ebenfalls keine Genehmigung, und die Elfen sind berühmt dafür, keine Ausreden durchgehen zu lassen. Wenn sie mich erwischen, droht mir der Tod.« Er schenkte mir ein Lächeln. »Deshalb möchte ich nicht erwischt werden und bin bereit, dabei zu helfen, dass man auch Sie nicht erwischt.« Mac schnaubte. »Zusammen sind wir alle sicherer. Allein würde niemand von uns auch nur einen Tag im Feenland überleben.«
Marlowe zuckte mit den Schultern. »Stimmt. Darf ich als erste kameradschaftliche Geste vorschlagen, dass wir diesen Ort so schnell wie möglich verlassen? Wir haben keine Zeit zu verlieren.« Pritkin hatte Billy an den Handgelenken auf die Beine gezogen und gab ihm eine Ohrfeige. »Er hat recht. Wenn die Elfen uns finden, töten sie uns entweder sofort oder nehmen uns als Geiseln, um Kreis oder Senat zu erpressen.« Nach dem zweiten Schlag versuchte Billy, sich zur Wehr zu setzen, aber Pritkin blockierte seinen Arm und drehte ihn auf den Rücken. Dann schob er Billy in meine Richtung. »Bringen Sie Ihren Diener unter Kontrolle«, sagte er knapp. »Ich kümmere mich um meinen. Anschließend machen wir uns auf den Weg.«
Die
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