Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
einem Erdhaufen befindet. Seine Kämpfer folgen ihm in Rautenformation und halten nach allen Seiten die Augen offen. Endlich kehren sie zurück in die Metro, wo sie der hektische Alltag der Handelsstadt erwartet.
ERSTER TEIL
IM GRENZLAND
1
EXPLOSIVES ZUM ABSCHIED
Erst gegen Morgen fiel Gleb in einen unruhigen Schlaf. Das nächtliche Gespräch mit Taran, der sich Sorgen um die Zukunft der Metro machte, hatte ihm lange keine Ruhe gelassen.
Sicher, das Leben im Petersburger Untergrund war kein Zuckerschlecken. Lebensmittelknappheit, katastrophale hygienische Zustände, die ständige Bedrohung durch räuberische Mutanten … In einer solchen Lage sollten die Menschen eigentlich zusammenrücken und versuchen, ihre Probleme gemeinsam zu lösen. Doch das Gegenteil war der Fall. Die in Siedlungen und eigenständige »Staaten« zersplitterten Metrobewohner zerfleischten sich in ständigen Streitereien, beraubten sich gegenseitig und zettelten handfeste Kriege an. Wenn das so weiterging, stand der Metro ein tragisches Ende bevor.
Die Stationen entvölkern sich zusehends. Wir sterben aus.
Das waren die Worte seines Stiefvaters gewesen, und er hatte recht. Gleb hatte sich selbst mehrfach davon überzeugen können, als er nach der Vernichtung der Insel Moschtschny durch die halbe Metro geirrt war.
Düstere Traumgedanken überschatteten seinen Schlaf, als er plötzlich erwachte. Eine unerklärliche Unruhe hatte ihn ergriffen, ein Bauchgefühl, das vor einer diffusen Bedrohung warnte. Gleb zögerte kurz, dann schlug er die Augen auf, schlüpfte aus der wärmenden Decke und schlich lautlos in den Gang hinaus.
Die große Gestalt, die reglos in der Dunkelheit stand, bemerkte er nicht und erschrak heftig, als er auf das unerwartete Hindernis stieß. Doch er beruhigte sich rasch, als er die vertraute Silhouette erkannte. Wie ein Wachhund, der Witterung aufgenommen hatte, verharrte Taran vor der hermetischen Tür und lauschte. Der Junge hörte nichts, doch im Blick des Stalkers las er die gleiche Unruhe, die ihn vor wenigen Augenblicken selbst erfasst hatte.
Gleb wollte gerade fragen, was los sei, doch Taran legte demonstrativ den Finger auf den Mund. Der Stalker schien voll auf die herannahende Gefahr fixiert.
Plötzlich krähte das Telefon an der Wand. Die beiden Nachtschwärmer zuckten zusammen. Erst vor Kurzem hatten Techniker die teure Leitung von den Zentralstationen zu Tarans Bunker gelegt. Der Chef der Sennaja , Viktor Terentjew, hatte das veranlasst. Nach der Aufklärung des Anschlags auf die Insel Moschtschny hegte Tjorty – so der Spitzname des Stationsvorstehers – eine besondere Sympathie für den Söldner, der es geschafft hatte, einen Konflikt mit den Seeleuten von der Bohrplattform »Babylon« abzuwenden. Im Notfall wollte er den nützlichen Bekannten kurzfristig erreichen können, deshalb hatte er sogar die Kosten für den Anschluss übernommen.
Offenbar kam auch dieser Anruf von ihm, einem der gewieftesten Geschäftsleute der Handelsstadt. Worüber er sprach und was ihn veranlasst hatte, zu so nachtschlafender Zeit zum Hörer zu greifen – darüber konnte Gleb nur spekulieren. Von seinem Platz aus hörte er lediglich ein monotones Gebrabbel, aber an Tarans Gesichtsausdruck konnte er ablesen, dass es eher keine guten Nachrichten waren.
»Ja, Viktor, verstanden. Das ist eine Chance. Eine vage Chance, aber immerhin …« Der Stalker presste den Telefonhörer in der Faust zusammen, als wollte er ihn erwürgen. »Die Koordinaten! Ich brauche genaue Koordinaten! … Nein? Wenigstens irgendetwas! Irgendwelche Anhaltspunkte?!«
Tarans Aufregung übertrug sich auf den Jungen. Er zupfte nervös an seinem T-Shirt, verschlang jedes aufgeschnappte Wort und beobachtete angespannt die Mimik seines Vaters. Er wollte unbedingt wissen, worum es in dem emotionalen Gespräch zwischen den beiden Erwachsenen ging.
Taran erkannte Glebs stumme Frage, hielt kurz die Sprechmuschel zu und beugte sich herab.
»Weck die anderen. Wir brechen sofort auf«, sagte er ohne weitere Erklärung.
Der Junge hatte Taran schon lange nicht mehr so aufgewühlt erlebt. Deshalb hob er sich seine Fragen für später auf und rannte in den Schlafraum mit den Doppelstockbetten. Er riss der oben liegenden Aurora die Bettdecke weg, sprang über ein Nachtkästchen zur nächsten Koje und rammte Gennadi den Ellbogen in den Rücken. Der grüne Gigant lag in Embryohaltung im unteren, bis zum Boden durchhängenden Bett.
»Aufstehen! Alarm!«
Dym
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