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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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Tür und glitt lautlos wie ein Schatten in die Dämmerung. Er wusste nicht, was ihn erwartete, wusste nur, dass er sich auf eine Reise begeben und den großen Prediger begleiten sollte. Jan Valkensteyn war der lebendige Schutzschild.
    Der Morgen war kühl, beim Ausatmen zeigten sich kleine weiße Wolken vor seinem Mund. Jan schlich sich im Schutz der Häuser durch die Straßen. Er wollte nicht gesehen werden, seine Mission war geheim. Und gefährlich, es könnte ihn den Kopf kosten, wenn man von dem Zusammentreffen erfuhr. Menschen wie er und der Mann, den er treffen wollte, wurden überall in Europa verfolgt, durften ermordet werden, ohne dass es Konsequenzen hatte. Sie waren
vogelfrey
.
    Hin und wieder erwachte Jan des Nachts, weil es sich in seinem Kopf so anfühlte, als ob dort mehrere Ochsengespanne hindurchpolterten. Er wusste in diesen Augenblicken nicht, ob es wirklich recht war, was er tat, ob der eingeschlagene Weg tatsächlich zum Ziel führte.
    Das Gespräch gleich würde wichtig sein. Jan hatte den Erzählungen Garbrands gelauscht, gehört, was in England los war. Das war alles nicht das, was er sich unter der neuen Religion vorgestellt hatte.
    Jans Gedanken drehten sich im Kreis.
    Er beschleunigte seinen Schritt. Die Tritte hallten auf dem Pflaster, schienen sich zu vervielfachen. An jeder Ecke sah er sich um, ob ihn niemand verfolgte. Er schrak jedes Mal zusammen, wenn er glaubte, hinter sich eine Bewegung wahrzunehmen. Doch es war immer nur der Wind, der durch die Gassen pfiff und ihn erschreckte.
    Schließlich kam er am verabredeten Treffpunkt an. Er pfiff das Lied, das sie abgesprochen hatten. Es tat sich lange nichts, bis das Tor geöffnet wurde und er in die dunkle Lücke hineingleiten konnte. Es war bei dem schlechten Licht unmöglich, etwas zu erkennen. Jan hörte nur eine heisere Stimme, die ihm zuraunte: »Er kommt nicht, zu groß ist die Gefahr. Aber ich soll Euch etwas geben.«
    »Wieso kommt er nicht? Wenn er sagt, er kommt, dann kommt er auch.« Er drehte sich blitzschnell um, griff den Wächter am Kragen und drückte ihn mit dem Rücken gegen die Wand. »Was habt Ihr mit ihm gemacht?«
    Der Wächter wand sich unter Jans Griff. »Er ist nicht hier, hat nur durch einen Boten einen Brief kommen lassen«, japste er. »Lasst mich los, und Ihr werdet schon sehen!«
    Jan lockerte den Griff abrupt, war froh, dem schlechten Atem des Wächters entfliehen zu können. Der Mann schüttelte sich. »Seid froh, dass ich Euch was übergeben muss! Sonst würde es Euch jetzt schlecht ergehen.«
    Dann hörte Jan etwas rascheln, als der Wächter zwei Papierrollen aus dem Ärmel hervorzog. »Hier, und jetzt geht!«, zischte er, während er Jan einen Brief in die Hand drückte. »Lasst keine unnütze Zeit verstreichen. Er sagt, das wäre Euer sicherer Tod.« Jan hörte, wie der Wächter seinen Atem ziehend einsog. »Und das soll ich Euch auch noch geben.«
    Jan nahm die beiden Papierstücke an sich und wurde unversehens wieder zurück in die Gasse gestoßen. »Wieso kann er all das sagen, wenn er doch gar nicht hier ist?«, murmelte Jan, aber da quietschte das Tor bereits hinter ihm, und er hatte keine Möglichkeit mehr, von dem Mann dahinter noch etwas zu erfahren, wobei der vermutlich ohnehin nicht besonders mitteilsam gewesen wäre, egal, was er wusste.
    Jan steckte den versiegelten Brief in den Ärmel, umklammerte das andere Papier und hastete zurück in die Herberge. Was tat er sich an? Doch die Bezahlung war gut, so konnte er sich eine neue Existenz aufbauen, die Vergangenheit hinter sich lassen und seinen Forschungen nachgehen. Dafür galt es, Opfer zu bringen.
    Garbrand schnarchte immer noch, er schien sein Verschwinden gar nicht bemerkt zu haben. Jan stellte sich ans Fenster, um das Morgenlicht zu nutzen, und las die dahingekritzelten Zeilen.
    Verlasst Holland sofort! Ihr seid hier nicht sicher, man hat Wind von uns bekommen. Haltet Euch nach Nordost, Richtung Emden. Dort stehen Knorren bereit, die Euch in die Jade und zum Schwarzen Brack bringen. In der Herrlichkeit Gödens findet Ihr Schutz und andere Gleichgesinnte. Verliert keine Zeit und richtet Krechting aus, dass ich bald kommen werde. Bald, wenn es die Zeit erlaubt
.
    Die Sonne war gerade aufgegangen und wärmte die taufeuchte Erde mit ihren Strahlen. Melchior Dudernixen musste den Mann nicht umdrehen. Er lag auf dem Rücken, die Augen aufgerissen. Auch ohne den Blick weiter nach unten schweifen zu lassen, war eindeutig, dass der Mann tot

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