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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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sich das Morgenlicht von Osten her immer mehr ausbreitete und die Nacht bald verdrängen würde. Schließlich gelang es Hiske, sich zum alten Deich vorzuarbeiten und auf seiner Krone weiterzulaufen, was ihr das Fortkommen erheblich erleichterte.
    Man hatte ihr gesagt, dass die Herrlichkeit Gödens erst kurz vor Dykhusen begann. Erst dort würde sie sich nicht mehr im Einflussbereich von Fräulein Maria befinden. Die Angst verlieh Hiske ungeahnte Kräfte.
    Sie sehnte sich nach einer warmen Suppe, nach einer Bettstatt, in die sie sich einfach fallen lassen konnte. Mit diesem Ziel vor Augen lief es sich besser. Bald war sie frei. Musste nicht mehr um ihr Leben zittern. In der Herrlichkeit Gödens unterstand sie Hebrich von Knyphausen, der Witwe des Häuptlings Haro von Oldersum und Gödens. Hiske hoffte nur, dass die Gerüchte stimmten, die sie in den letzten Jahren auf dem Markt von Jever aufgeschnappt hatte. In der abgelegenen und nur schwer zugänglichen Herrlichkeit gab es Zuflucht und Schutz, vor allem für Andersdenkende und Andersgläubige. Eine andere Wahl als hierherzuflüchten, hatte Hiske ohnehin nicht. Wo sollte sie auch sonst hin? Diesen Landstrich konnte man nur schwer erreichen, aber auch ebenso schwer wieder verlassen.
    Hiske ruckelte ihren Beutel auf dem Rücken zurecht, wickelte den anderen, in dem sich die Utensilien befanden, die sie als Hebamme brauchte, fest um das Handgelenk und marschierte weiter. Noch durfte sie sich keine Pause erlauben, noch war sie zu weit von ihrem sicheren Ziel entfernt.
    Trotz ihrer schweren Glieder lief sie jetzt etwas schneller. Die Reiter Fräulein Marias waren zwar umgekehrt, aber niemand wusste, ob sie sich nicht doch wieder anders besannen und sich auch in diese morastige Gegend wagen würden.
    Der Zorn der Regentin würde auf sie niederprasseln, wenn sie unverrichteter Dinge zurückkamen. Hiske wusste nicht, was für die Männer schlimmer war: ihre Furcht, ihr, der Hexe, der Zauberin, der Toverschen, zu begegnen oder die Reaktion des Fräuleins, das nicht gerade gnädig mit ihren Leuten umging.
    Hiske sollte in Jever zum zweiten Mal in ihrem Leben als Zauberin angeklagt werden. Erst am Vormittag war ihr zu Ohren gekommen, dass man sie holen würde, weil sie gemeinsam mit Gesche Glieders einen Baum gemolken haben sollte. Dieses Gerücht hatte sich das letzte halbe Jahr hartnäckig gehalten und war immer stärker ausgeschmückt worden, auch als man ihre Freundin längst verbrannt hatte.
    Es hatte Wochen gedauert, bis die Wunden von den Stricken und Ketten von der letzten Verhaftung, als man ihr vorgeworfen hatte, Milch verzaubert und ein Kind totgehext zu haben, verheilt waren. Die Narben würden ihre Füße und Hände ein Leben lang entstellen. Wäre sie nicht freigekauft worden, hätte sie ihr Leben bei der Hexenprobe an der Toverschen Graft in Jever lassen müssen. Aber die Frau, die sich für sie eingesetzt hatte, war längst den Folterungen erlegen; ihr Mut hatte sie das Leben gekostet. Remmer von Seediek hatte mit ihrem Tod ein Exempel statuiert – keiner würde es mehr wagen, sich für eine angeklagte Toversche einzusetzen. Nein, sie durfte nicht rasten, sie musste weiterziehen. Hiske atmete tief ein, beschleunigte ihren Schritt. Glücklicherweise lichtete sich der Morgennebel zusehends, sodass sie den Weg besser erkennen konnte. Dafür wurde der Boden jetzt auch auf dem Deich immer schlammiger, teilweise sank sie wieder knöcheltief ein und musste ihre Füße mühsam aus dem Matsch ziehen. Doch sie ging weiter. Immer Richtung Süden. Sie hatte es bald geschafft.
    An seinen Händen klebte Blut. Es war noch warm, und er wusste nicht, wie es dorthingekommen war. Die ganze Nacht war der Knabe herumgeschlichen, hatte nicht schlafen können, weil die Kälte sich durch seinen Körper fraß. Er durfte keine Sekunde innehalten, dann hätte sich die bleierne Müdigkeit seiner bemächtigt und ihn mit sich in den Schlaf gezogen. Er kannte diese Nächte der Ruhelosigkeit, diese Nächte, in denen er die Wahl hatte, zu schlafen und zu sterben oder wach zu bleiben wie eine Eule und das Geschehen der Nacht mit höchster Wachsamkeit zu verfolgen. Die Menschen waren unterwegs gewesen, wie so oft. Das war gut, weil er seinen Hunger stillen konnte, wenn er sich zu ihren verlassenen Wagen schlich. Doch letzte Nacht waren sie rasch zurückgekommen, er hatte keine Zeit gehabt. Ein entlaufenes Huhn hatte ihm dann als Nahrung gedient. Roh, er hatte kein Feuer. Wenn man Hunger hatte,

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