Historical Collection Band 02
küssen, während er sich in ihr verströmte.
Das wievielte Mal war das heute? Er lächelte verstohlen, drückte sie an sich, bemüht, sich nicht zu sehr gegen sie zu lehnen. Verflixt, er war schwach wie ein Kätzchen. Das Stehen war keine gute Idee gewesen. Sein Bein schmerzte, er musste es entlasten, sonst würde es morgen früh so steif sein, dass er kaum aufstehen konnte.
Ein leises Schluchzen an seiner Schulter ließ ihn aufschauen. Ihr Gesicht war tränennass. Sanft streichelte er ihr Haar. Wie hatte er sie nur für kalt halten können? „Was hast du, Liebste?“, flüsterte er.
„Ich bin eine grässliche Ehefrau“, murmelte sie.
Beinahe hätte er gelacht. „Du bist doch gerade gar keine Ehefrau.“ Obwohl es an der Zeit wäre, denn wenn sie so weitermachten, wäre bald ein Kind zu erwarten.
Und dann fiel die Erinnerung, wer sie war, wie ein schwarzer Schatten über ihn und damit auch die alten Schuldgefühle. Fest drückte er sie an sich, dass nicht etwa ein Geist sich zwischen sie drängen konnte. „Er ist dahin. Du bist frei.“
„Aber ich dürfte mich nicht derart betragen. Noch dazu mit einem Mann, den ich kaum kenne. Ausgerechnet mit dir.“
Darum ging es also! Sie hatte sich einem nicht standesgemäßen Mann hingegeben. Bewusst konzentrierte er sich auf den Schmerz in seinem Bein, denn mit der physischen Pein konnte er besser umgehen als mit der, die ihre Worte hervorriefen. Er richtete sich gerade auf, löste sich von ihr, wobei er ihr das Kleid wieder über die Schultern zog, um sie zu bedecken. Dann bot er ihr seinen Arm.
„Wegen dem, was du heute getan hast, trifft dich wohl nur wenig Schuld. Ich sollte mich schämen. Ich schulde dir Wiedergutmachung. Du ehrst mich, wenn du meinen Schutz annimmst.“ Er schluckte nervös, denn er wusste, was er einer Dame tatsächlich schuldete, selbst wenn sie seine Worte mit Verachtung aufnahm. „Und du würdest mir eine noch größere Ehre erweisen, wenn du einwilligtest, mich zu heiraten.“
4. KAPITEL
V ictoria gab, um ihre Verwirrung zu überdecken, ein leises, erstauntes Lachen von sich. Schnell hielt sie mit einer Hand ihr Kleid über dem Busen fest, damit es nicht wieder herunterrutschte. „Heiraten?“
„Was ich tat, hat dich entehrt. Als Gentleman möchte ich das wiedergutmachen“, erklärte er, als wäre es nur recht und billig, eine Frau zu heiraten, die man in einem Bordell getroffen hatte.
„Aber wir beide?“ Sie hatte sich eingeredet, dass sie mit ihm gehen müsse, damit es ihr möglich wäre, seine Wohnung zu durchsuchen und seine Dienerschaft auszufragen. Aber was besaß er denn? Es war nur so wenig. Was, wenn es nichts zu finden gab?
Was, wenn Tom Godfrey unschuldig war? Ein Teil ihrer selbst wünschte das nur zu sehr. Und wenn nicht, wie konnte sie, was sie empfand, wenn er sie berührte, mit ihren so lange gehegten Verdächtigungen in Einklang bringen? Sie zauderte, versuchte auszuweichen. „Wie soll ich diese plötzliche Heirat meinen Freunden erklären?“ Und wie sollte sie es Lord Stanton erklären? Der sie sowieso schon für verrückt hielt. Was würde er zu dieser Wendung der Dinge sagen?
Tom lächelte. „Man wird es kaum für eine Sensation halten, wenn du einen Offizier heiratest. Zwar musste ich wegen meiner Verletzung die Armee verlassen und habe einen niedrigeren Rang als dein verstorbener Gemahl. Aber wir haben Gleiches erlebt, haben gemeinsame Bekannte, und ich habe Verständnis für deine missliche Lage und fühle mit dir. Falls es jemanden interessiert, erzähl, wir hätten uns in London wiedergetroffen, und da wir uns von früher kannten, hätte ich, aus Sorge, dich behütet und gut versorgt zu sehen, um dich angehalten.“
„Aber eine Ehe?“ Wie er es beschrieb, klang es vernünftig. Doch angenommen, sie hatte recht mit ihrem Verdacht, und ihr zweiter Gatte würde wegen Verrat und Mord an ihrem ersten gehängt?
„Für mein Teil – glaub mir, meine Freunde werden mich beglückwünschen, weil ich dich erobern konnte. Du bist eine sehr reizvolle Frau, Victoria. Und …“ Ihm schien etwas auf der Zunge zu liegen, nach kurzem Zögern jedoch murmelte er nur: „Und körperlich passen wir wirklich sehr gut zusammen.“
Er lächelte jungenhaft, und sein Lächeln wurde breiter, als er sah, dass sie errötete. Ernster fügte er hinzu: „Mir ist klar, dass du mich nicht liebst, und dass mein Vorschlag manch anderem nicht weniger unverhofft kommt als dir selbst. Aber ich würde alles in meiner Macht
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