HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
du mir die Geschichte erzählen und meiner Neugier ein Ende bereiten?“
Lucien blieb einige Augenblicke still, doch dann begann er: „Als ich ein Sklave war, lebte ich im Haushalt eines Wikingers namens Hendron. Er war ein Jarl, was in England der Stellung eines Earls entsprechen würde. Er war sehr mächtig und wohlhabend, und er vermehrte seine Reichtümer, indem er seine Nachbarn gewissenlos ausraubte.“
Die Erinnerungen waren mittlerweile verblasst, doch sein Hass auf Hendron brannte noch immer. „Mit sechzehn Jahren war ich bereits gut geübt im Umgang mit dem Schwert, und ich schien sogar ein außergewöhnliches Talent dafür zu entwickeln. In diesem Alter wurde ich in die Nordländer gebracht, und Hendron kaufte mich. Offenbar bewunderte er meine Größe und meine Fähigkeiten, daher ließ er mich zu einem Krieger für seine Zwecke ausbilden.“
Alayna lag sehr still neben ihm, und er fragte sich, ob er ihr diese Erlebnisse überhaupt anvertrauen sollte. Doch als seine Gemahlin hatte sie das Recht, alles über sein Leben zu erfahren. Zu seinem Erstaunen verspürte er sogar das plötzliche Bedürfnis, es ihr zu erzählen.
„Als ich in Schlachten ziehen und töten musste, kam es mir sehr gelegen. Damals war ich voller Zorn. Ich wurde meinem Heim entrissen und musste zusehen, wie mein Vater vor meinen Augen abgeschlachtet wurde. Anschließend überlebte ich die lange Reise nur mit Glück. Und ich hasste Hendron, denn er war ein grausamer und hinterlistiger Barbar. Er verabscheute alle Engländer, und mich am meisten. Ich glaube, der Grund dafür war, dass er mich so dringend brauchte. Doch all diese Umstände waren die geeigneten Voraussetzungen für einen Krieger, also kämpfte ich wie ein Besessener. Ich zog in viele Schlachten und brachte Hendron so viel Beute ein, dass sie die Schatzkammer eines Königs zum Bersten gebracht hätte. Trotz allem blieb ich immer nur ein Sklave. Gleichgültig, wie gut ich mich auch schlug, ich wurde dennoch gehasst.“
Alayna wagte kaum zu atmen. Plötzlich verstand sie seine Bitterkeit, sein Misstrauen, sogar die unverhohlene Selbstsucht, die er bisweilen an den Tag legte. Er hatte größere Qualen erdulden müssen, als sie sich jemals vorstellen konnte. Sie begriff, welchen Schmerz es ihm bereitete, diese Geschichte nur zu erzählen, und sie spürte seine Pein, als ob es ihre eigene wäre.
Weil sie ihn liebte.
Dieser Gedanke kam ganz überraschend, und trotzdem hatte sie es irgendwie gewusst. Sie liebte ihn wie ihr eigenes Leben, sie wollte ihn beschützen und nicht wahrhaben, dass ihm diese schrecklichen Erlebnisse wirklich zugestoßen waren. Gerne hätte sie ihn getröstet, doch nichts konnte diese Vergangenheit ungeschehen machen. Von nun an würde sie beim Anblick seiner Narben jedes Mal daran denken, dass sie nur ein Abbild seiner inneren Wunden waren, den Wunden seiner Seele.
„Natürlich habe ich ihn getötet“, fuhr er fort. „Und am Ende tat ich es ohne Reue, ohne jeden Zweifel. Jahrelang hatte ich auf die richtige Gelegenheit gewartet, obwohl ich ohne Agravar nie Erfolg gehabt hätte. Im Laufe der Zeit wurden mir immer mehr Freiheiten gewährt, und eines Tages war der Moment günstig, also tat ich es einfach. Die meisten seiner Schätze standen ohnehin mir zu, da er mir niemals meinen Anteil gezahlt hatte. Daher holte ich die Beute einfach zurück, kaufte ein Schiff, Waffen, Männer, die für mich kämpften. Ich hatte mir selbst geschworen, nach England zurückzukehren und mich an du Berg zu rächen.“
„Woher wusstest du, dass Edgar deinen Vater ermordet hatte?“
„Ich wusste es einfach“, sagte er rätselhaft, und Alayna spürte, dass es bei der Sache mehr gab, als er ihr mitteilen wollte. „Also lebte Agravar ebenfalls in Hendrons Haushalt?“
Lucien nickte. „Agravar ist ein Bastard, Hendrons Sohn. Er wurde gezeugt, als Hendron auf einem seiner Raubzüge eine englische Edelfrau schändete. Agravars Mutter konnte keinerlei Liebe für ihren Sohn aufbringen, also suchte er sein Glück bei seinem Vater, als er alt genug war. Hendron nahm ihn zwar auf, aber Agravar empfand stets einen Widerwillen gegen die Grausamkeit seines Vaters. Deshalb fand er in mir einen Verbündeten. Wir stellten fest, dass wir viele Gemeinsamkeiten und ähnliche Erfahrungen hatten, daher wurden wir schnell Freunde. Ohne Agravar wäre es mir niemals gelungen, aus Dänemark zu entkommen.“
„Ich wusste nichts von alldem“, sagte Alayna erstaunt.
„Ich spreche
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