HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
verließen.
Es waren so viele Leute mit Fackeln gekommen, dass die tiefe Nacht eher wie Morgendämmerung aussah. Wie um Gilberts Worte zu bestätigen, war wenigstens die halbe Stadt unterwegs, um zu sehen, wie Philip zu Fall gebracht wurde, so unbeliebt war der ehemalige Earl of Windermere. Eine große Menschenmenge wartete auf der anderen Seite der Brücke, verspottete und verhöhnte Philip und bewarf ihn mit überreifem Obst und Gemüse, während Philip sie anschrie. Blanche dagegen duckte sich nur, als sie von ihrem Herren fortgezogen wurde, und war sich nicht sicher, was mit ihr geschehen würde.
Wolf und Kathryn blieben zurück und genossen den Augenblick alleine, während die Menge auf der anderen Seite Philips Untergang feierte. Alle Empfindungen, die sich in Kathryn angestaut hatten, überwältigten sie schließlich, sodass es ihr nicht mehr möglich war, die Tränen noch länger zurückzuhalten. Wolf hielt sie umschlungen, bis ihr Weinen langsam verebbte.
„Ich muss dich nach Hause bringen und mich um deine Verletzungen kümmern“, sagte Kathryn schließlich und putzte sich die Nase.
„Ja“, sagte Wolf lachend. „Zum ersten Mal werde ich sicher in unserem Bett in Windermere Castle ruhen. Und es gibt genügend Zeit, mir zu erzählen, wie …“
„Was ist denn dort drüben los?“, fragte Kathryn, während sie zur Brücke hochschaute und sich die letzten Tränen aus dem Gesicht wischte.
Es gab kein Gejohle mehr. Die Stadtbewohner waren still, nur Philip tobte wie toll. Es war ihnen unmöglich, all seine Worte zu verstehen, doch Kathryn und Wolf sahen ein kleines Handgemenge auf der Mitte der Brücke. Dann hörten sie einen wüsten Schrei, und ein Mann stürzte sich von der höchsten Stelle hinunter in das flache Wasser. Kathryn erschrak und bedeckte ihren Mund entsetzt mit den Händen.
Philip. Es musste Philip gewesen sein.
Wolf ging zum Ufer in die Dunkelheit und watete in das knietiefe Wasser. Die Menschenansammlung verteilte sich auf der anderen Uferseite, und alle beobachteten stumm, wie der Duke seinen verhassten Cousin aus dem Wasser zog. Niemand hoffte, dass er überlebt hatte, niemand sprach ein stummes Gebet für seine Rettung.
23. KAPITEL
Windermere Castle
Oktober 1421
Ein Feuer prasselte in der riesigen Feuerstelle der Großen Halle, von deren hohen hölzernen Deckenbalken ein schönes neues Banner hing. Reinliche, würzig duftende Binsenmatten lagen auf dem Boden. Bei Tage konnte man den Himmel deutlich durch die sauberen Glasfenster sehen. Alle Spuren von Ruß und Asche waren verschwunden. Und der Staub wurde auch weiterhin von einer gut geführten, treuen Dienerschaft fern gehalten. Getrocknete Blumen in Krügen schmückten jeden Tisch, und ein großer Kranz hing über dem Sims der größten Feuerstelle.
Man war noch immer damit beschäftigt, die Tunnel unter Burg Windermere zuzuschütten. Es war eine große Arbeit, die Schubkarren mit Erde zu füllen und diese dann in die dunklen Gänge hinunterzubefördern. Doch Wolf war entschlossen, jegliche Spur von Philip und seiner Verderbtheit auszulöschen. Er wollte nicht mehr an Philips Schreckensherrschaft über Windermere erinnert werden.
Glücklicherweise hatte Maggie, die dunkelhaarige Dienerin, die Kathryn so ergeben war, nur eine Beule am Kopf bekommen in der Nacht, in der Christine Wellesley versucht hatte, Kathryn mit Baron Somers in eine Falle zu locken. Maggie war am folgenden Morgen eingeschlossen in einer Kammer in der Nähe der herzoglichen Gemächer gefunden worden mit schlimmen Kopfschmerzen und ganz krank vor Angst, was mit Kathryn geschehen war. Sie wurde Kathryns vertrauteste Dienerin und Gesellschafterin.
Lady Christine musste Windermere mit Schimpf und Schande verlassen.
Baron Somers’ Leiche wurde für das Begräbnis nach Somerton überführt.
Blanche Hanchaw und die Männer, von denen man wusste, dass sie zu Philips Horde gehörten, wurden nach London gebracht und mussten sich vor Gericht für sieben verschiedene Anklagepunkte verantworten. Alle wurden schuldig gesprochen und gehängt, außer Blanche. Mistress Hanchaw wurde vom Gericht dazu verurteilt, die restlichen Tage ihres erbärmlichen Lebens in einem Verlies in Wessex zu verbringen, das unter einer vermoderten alten Burg lag, die nicht mehr von ihrem Herren, dem Duke of Carlisle, genutzt wurde.
Hugh Drydens Wunden heilten mit der Zeit und mit guter Pflege, doch es würde noch eine Weile dauern, bis er wieder die Leitung seiner Güter übernehmen
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