Historical Exklusiv Band 20
keuchte Eldred angestrengt. „Ich muss nun gehen … um deine Mutter wiederzusehen. Wisse … dass ich nie … stolzer sein könnte auf … einen Sohn …“
Der Graf von Wrexton tat seinen letzten Atemzug und befahl seine Seele zu Gott.
Es herrschte völlige Stille. Nicht ein Vogel zwitscherte, nicht ein Blatt raschelte im Wind.
Die Ritter, die sich um ihren sterbenden Herrn geschart hatten, knieten nieder, bekreuzigten sich und brachten mit bewegenden Worten Trauer und Mitgefühl zum Ausdruck. Der neue Graf von Wrexton hörte kaum auf die aufrichtige Anteilnahme. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sein Vater ihn zum wiederholten Male darauf hingewiesen, baldmöglichst zu heiraten. Wie hatte sich alles so plötzlich ändern können? Wie war es möglich, dass Eldred von ihnen gegangen war?
„Mylord!“, rief jemand aus einiger Entfernung. „Kommt rasch!“ Marcus drehte sich ruckartig um und sah einen seiner Männer neben der mächtigen, gefällten Eiche stehen, in der er Adam versteckt hatte. Eine düstere Vorahnung bemächtigte sich seiner, als er zu dem Baum eilte.
Entweder war der Junge aus seinem Versteck gekrochen oder jemand hatte ihn aus dem hohlen Stamm gezerrt. Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle! Der Junge lag reglos im tiefen, grünen Moos. Ein Pfeil ragte drohend aus seinem Rücken hervor.
Marcus kniete sich neben Adam. Niemals war ihm sein Vetter so klein und verletzlich vorgekommen. „Er atmet noch“, sagte er.
„Ja, Mylord“, erwiderte Sir Robert Barry, „wenn wir den Pfeil jedoch herausziehen, wird er vermutlich verbluten.“
„Es dauert noch Stunden, bis wir in Wrexton sind“, warf Sir William Cole ein. „Er stirbt uns, wenn wir …“
„Hier in der Nähe ist eine kleine Hütte, wenn ich mich recht erinnere. Hinter diesem Hügel, ganz nahe bei einem Bachlauf“, sagte Marcus mit düsterer Miene. Dann sah er seine Gefolgsmänner an. „Ich werde Adam tragen“, fuhr er fort, als er den bewusstlosen Jungen behutsam vom Boden aufnahm. „Ihr nehmt den Leichnam meines Vaters und die gefallenen Gefährten.“
„Seid unbesorgt, Onkel“, sagte Keelin O’Shea mit leiser Stimme zu dem alten Tiarnan, als sie ihm sanft über die Stirn strich. Seine Hustenanfälle wurden zwar allmählich schwächer, setzten ihm aber immer noch sehr zu. „Ich werde die Heilige Lanze beschützen. Nie wird ein Mageean mit seiner Hand Ga Buidhe an Lamhaigh entweihen.“
Erneut bedrückte Keelin tiefe Sorge. Durch die Visionen, die sie gegen Morgen vernommen hatte, war sie sehr geschwächt, und sie wusste, dass es Zeit war aufzubrechen. Sie konnte mit Tiarnan nicht länger an diesem Ort verweilen, wenn die Krieger der Mageean ihnen so dicht auf den Fersen waren.
Die Flucht aus Irland schien bereits weit zurückzuliegen, als sie von jenen ruchlosen, gedungenen Schurken verfolgt worden waren, die ihren Vater auf dem Gewissen hatten. Für Keelin stand unverrückbar fest, dass sie sich von ihren Feinden fernhalten musste, wusste sie doch, dass ihr Clan durch einen Verlust der altehrwürdigen Lanze das Recht auf Herrschaft einbüßte. Ohne Zweifel wäre dann der grausame und unnachgiebige Anführer des Mageean Clans auf dem Gipfel seiner Macht.
Nie durfte Keelin es so weit kommen lassen. Mehr als einmal war sie Zeugin von Ruairc Mageeans Grausamkeit geworden, und keinesfalls durfte dieser Barbar einen Vorteil erringen.
Nicht umsonst hatten sie und Tiarnan ihre angestammte Heimat verlassen und waren nach der Flucht vier Jahre lang in England rastlos von Ort zu Ort gezogen, um Ruaircs Söldnern zu entkommen und ihrem Clan die heilige Macht von Ga Buidhe an Lamhaigh zu erhalten. Aber wo auch immer sie sich länger aufhielten, währte die Sicherheit nicht lange. Ruairc Mageeans Horde war beständig in der Nähe.
Einzig und allein Keelins seltsame Kraft der inneren Eingebung hatte sie und ihren Onkel vor den Übergriffen der gedungenen Schergen bewahren können.
„Bitte“, sagte sie, als sie den Kopf des alten Mannes anhob, um ihm etwas zu trinken zu geben. „Nehmt einen Schluck.“
„Ach, mein Mädchen“, kam es heiser aus Tiarnans Mund, „ruh dich aus. Du hast heute Morgen die Lanze berührt, und ich weiß, wie dir diese Vorausschau zusetzt.“
„Ich fühle mich gut“, erwiderte sie, doch sie log. Immer noch war sie schwach und zittrig, Stunden nachdem sie die Visionen gehabt hatte. Sie wollte sich ihre Schwäche indes nicht vor dem Onkel anmerken lassen, denn er machte sich viel zu
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