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Jeden Tag, Jede Stunde

Jeden Tag, Jede Stunde

Titel: Jeden Tag, Jede Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natasa Dragnic
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    »Es ist schwer zu glauben.«
    »Was?«
    »Dass ich hier bin.«
    »Warum?«
    »Nach so vielen Jahren.«
    »Es ist schön.«
    »Wie wenn man nach einer langen Reise wieder im eigenen Bett schläft.«
    »Ich weiß.«
    »Wenn man einen Geschmack aus der Kindheit wiederentdeckt.«
    »Einen runden weißen Lutscher.«
    »Mit einer Figur in der Mitte.«
    »Und einem farbigen Rand.«
    Ein Wasserfall der Erinnerungen. Ein kleines Hotelzimmer in der Sommerhitze. Pinienbäume, die den rettenden Schatten schenken. Zu viel Licht. Wenn man Geheimnisse hat. Wenn man ungestört sein möchte. Wenn jeder andere Mensch einer zu viel ist. Wenn man in der Dämmerung besser zurechtkommt. Wenn man vom Bett aus jede Zimmerecke berühren kann.
    »Hier hat sich kaum was verändert.«
    »Findest du?«
    »Ich habe dich noch vor Augen.«
    »Aber ohne graue Haare und ohne Stock.«
    »Wie geht es dir?«
    »Die Albträume kommen nur noch selten.«
    »Gut so.«
    »Ja.«
    »Warum lächelst du?«
    »Ich habe dich auch noch vor Augen.«
    Eine schöne, junge Frau. Am Empfang. In einem engen dunkelblauen Kleid. Flache weiße Sandalen. Zwei große Koffer. Eine weiße Handtasche. Finger voller Ringe. Langes lockiges Haar. Verspielt. In den Augen. Sie pustet es immer wieder weg. Blau-weiße Ohrringe. Ein schmales Gesicht. Volle Lippen. Eine breite Nase. Große dunkle Augen. Ungeduldige Hände. Eine elegante Armbanduhr.
    »Ich habe meine Arbeit vergessen.«
    »Wann?«
    »Als du in das Foyer kamst.«
    »Wann?«
    »Damals. Erinnerst du dich noch?«
    »Ich muss mich nicht erinnern.«
    »Dich zu sehen ist …«
    »… wie ein Traum.«
    »… wie Weihnachten.«
    »Und Ostern.«
    »Und Geburtstag.«
    »Und Frühlingsanfang.«
    »Zusammen.«
    Ihre Körper nebeneinander. Verschwitzt. Müde. Hungrig. Nimmersatt. Glücklich. Auf den nassen Bettlaken. Die Hand auf dem Bauch. Der Fingernagel im Oberarm. Der Mund auf der Brust. Das Bein um die Hüfte. Seine grünen Augen.
    »Hast du an mich gedacht?«
    »Wie viele Male, Liebste, liebte ich dich blinden Auges, und blind war meine Erinnerung/ohne deinen Blick zu kennen, ohne dich anzusehn .«
    »Fast hätte ich es vergessen.«
    »Was?«
    »Deinen Neruda.«
    »Ich habe mir vorgestellt …«
    »Was?«
    »Das Leben mit dir.«
    »…«
    »Für immer und ewig.«
    »Und?«
    »Es war voller Wunder.«
    Das winzige Hotelzimmer. Wie eine ganze Welt. Wie ein ganzes Leben. Grenzenlos. Endlos. Unendlich. Wie die Tiefe der Ozeane. Unerforscht. Geheimnisvoll. Beängstigend. Unwiderstehlich. Faszinierend. Wie die Zahl der Sterne. Unbekannt. Unheimlich. Unzerstörbar. Unsterblich.
    »Wie geht es deiner Tochter?«
    »Ich habe zwei.«
    »Gratuliere.«
    »Danke.«
    »Ich danke dir.«
    »Warum?«
    »Einfach so.«
    »Warum?«
    »Vergiss es.«
    »Ich will nicht vergessen.«
    »Wenn du meinst.«
    »Hast du Kinder?«
    »Einen Sohn.«
    »Wie alt?«
    »Siebzehn.«
    »Siebzehn?«
    »Ja.«
    »Ich frage mich …«
    »Was?«
    »Einen Sohn also.«
    »Ja.«
    »Ich …«
    … liebe dich nur dich immer dich mein ganzes leben lang du bist meine luft mein herzschlag du bist in mir unendlich das meer das ich sehe bist du die fische die ich fange hast du in mein netz gelockt du bist mein tag und meine nacht und der asphalt unter meinen schuhen und die krawatte um meinen hals und die haut an meinem körper und die knochen unter meiner haut und mein boot und mein frühstück und mein wein und meine freunde und der morgenkaffee und meine bilder und meine bilder und meine frau in meinem herzen und meine frau meine frau meine frau …
    »Ich werde jetzt gehen.«
    »Bitte nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist gemein.«
    »Was?«
    »Zu kommen und dann zu gehen.«
    »Ich habe keine Wahl.«
    »Man hat immer eine Wahl.«
    »Ausgerechnet du sagst das.«
    »Ich war schwach.«
    »Ja, das warst du.«
    »Ich bin nie darüber hinweggekommen.«
    »Pech gehabt.«
    »Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.«
    »Ich glaube dir.«
    »Ich möchte, dass du hierbleibst.«
    »Es ist zu spät.«
    »Wer hat sich je geliebt wie wir?«
    Es war einmal ein kleines Hotel am Meer, von Pinienbäumen vor dem kalten Nordwind geschützt. Die Südmauer schmeckte sogar im Winter nach Salz und Hitze. Große Fenster und Balkontüren spiegelten die Wellen. Das Meer, wie ein sternenvoller Nachthimmel, umarmte den kleinen Kieselstrand unterhalb des Hotels. Wo alles begonnen hatte. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie immer noch da. Wo alles enden sollte.
    »Sieh mal, die Wolken!«
    »Weißt

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