Historical Exklusiv Band 20
Späßen zu erfreuen.
Dennoch, die gestrandeten Reisenden brauchten Abwechslung, um bei Laune gehalten zu werden – und um den Burgfrieden zu wahren. Deshalb hatte Marcus nichts gegen die Schauspieler oder Bänkelsänger einzuwenden, aber er nahm nicht an den Tänzen teil. Keelin tat es ihm gleich.
In der fröhlichen Schar, die in der Großen Halle weilte, fielen ihr zwei Männer auf, die in ihr ein unbehagliches Gefühl hervorriefen. Es waren zwei Ritter, von ihrem Aussehen her womöglich Brüder, die nicht so alt zu sein schienen, wie der erste Eindruck glauben machen wollte.
Die Männer hatten braunes, langes Haar und auffallend lange, spitze Kinnpartien. Einer der beiden hatte verschiedenfarbige Augen, braun und bläulich. Sie fühlte sich unwohl, wenn sich ihre Blicke begegneten.
Die Ritter hatten verlauten lassen, dass sie im Auftrag ihres Herrn, eines Viscount aus Lincolnshire, unterwegs gewesen waren, als der Sturm sie überraschte. Keelin wurde den Gedanken nicht los, dass der Viscount nicht sonderlich wohlhabend sein konnte, wenn seine Getreuen so ärmlich aussahen. Ihre Rüstungen waren matt und angelaufen, und ihre Gewandung wirkte aufgetragen.
Zudem fiel ihr auf, dass die Frauen der Burg die beiden Ritter mieden. Auch sie verspürte keinesfalls den Wunsch, sie näher kennenzulernen.
Es war bitterkalt geworden. Keiner wagte sich bei diesem Wetter vor die Tür, und alle hatten sich in zusätzliche Decken und Mäntel gehüllt.
Im Rittersaal kam es unter den Gästen immer wieder zu Streitereien, und der Graf und seine Gefolgsmänner hatten alle Hände voll zu tun, um für Ruhe zu sorgen. Als Marcus erkannte, dass die Dienerschaft überfordert war, allen Aufgaben gerecht zu werden, sorgte er dafür, dass sich auch die Gästeschar in der Großen Halle nützlich machte.
Nicht nur der Burgherr sehnte besseres Wetter herbei, damit die Bewohner von Wrexton endlich wieder unter sich sein konnten. Marcus war indes auch bewusst, dass Keelin unverzüglich nach Kerry aufbrechen würde, sobald die Wege frei von Schnee und Eis waren. Denn schließlich hatte sie versprochen, nur so lange zu bleiben, wie Adam ihre Hilfe benötigte. Der Gesundheitszustand des Jungen besserte sich täglich. Bald würde er ohne fremde Hilfe sein Bett verlassen können.
Marcus war Keelin in den letzten Tagen nicht zu nahe gekommen. Ihre Anwesenheit hatte er indes stets deutlicher wahrgenommen, als ihm lieb war. Jedes Mal, wenn er sie sah, überkam ihn das brennende Verlangen, sie zu berühren. Falls er ihre Blicke richtig gedeutet hatte, war sie ebenso enttäuscht wie er, dass sie sich nicht näherkamen.
Daher sah er sich gezwungen, endlich zu handeln. Im Augenblick war es ruhig im Rittersaal, und Marcus hatte seinen besten Männern aufgetragen, die Gästeschar im Auge zu behalten.
Da er wusste, dass Keelin keine Gelegenheit auslassen würde, die Falken aufzusuchen, lud er sie ein, gemeinsam mit ihm nach den Nestlingen zu sehen. Des Öfteren hatte er mit Gerald gesprochen und erfahren, dass die kleinen Zwergfalken sich beim Abrichten bereits prächtig gemacht hatten.
„Ah, Mylord!“, sagte Gerald, als Marcus und Keelin den langen Raum mit den Käfigen betraten. „Ich … ich war gerade im Begriff zu gehen …“
„Nein, Gerald. Noch nicht“, bat der Graf und musste ein Lächeln unterdrücken. Der treue Falkner hatte die Bitte seines Herrn nicht vergessen, unverzüglich den Raum zu verlassen, wenn er ihn mit Keelin kommen sah. „Bleibt und zeigt uns die kleinen Zwergfalken.“
„Gerne, Mylord.“ Der Falkner lächelte. „Die beiden sind ein prächtiges Paar. Sie haben sich an Haube und Glöckchen gewöhnt, und des Nachts sind sie auch schon draußen gewesen.“
„Dann sind sie ja beinahe bereit für den Köder.“
„Ja, Mylord.“
„Was bedeutet das, Meister Gerald?“, fragte Keelin wissbegierig.
Der Graf folgte den beiden, während der Falkner erklärte, auf welche Weise man in Wrexton die Vögel abrichtete. Da Marcus wusste, dass Keelin seine Begeisterung für die Tiere teilte, hoffte er, sie würde ihn begleiten, wenn die Zwergfalken auf offenem Feld das Jagen lernten.
Er musste sie lediglich davon überzeugen, lange genug zu bleiben.
Sie traten an den Käfig, in dem die beiden Jungvögel dicht nebeneinander hockten, mit Lederfesseln und Glöckchen an den Beinen. „Versucht, Euch ruhig zu verhalten, Mylady“, sagte Gerald mit leiser, weicher Stimme. „Bisher sind sie nur an mich und meine Stimme gewöhnt
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