Mr Arrogant! Turbulenter, witziger Liebesroman - Liebe, Sex und Leidenschaft...
Kapitel 1
Aus dem Regenguss war ein Hagelschauer geworden. Die kleinen Körner prasselten gegen die Fensterscheiben und überzogen die Dächer und Gärten auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit einer weißen Eisschicht. Ein kalter Hauch wehte durch einen der gekippten Flügel und strich über Annalenas Schultern. Als der Mann hinter dem wuchtigen Schreibtisch sah, wie sie erschauerte, stand er auf, schloss das Fenster und nahm wieder in seinem Schreibsessel Platz. Annalena merkte es gar nicht. Das Chaos in ihrem Kopf hatte sich zu einem unentwirrbaren Knäuel verdichtet. Das einzige, das sie einem Mantra gleich immer wieder vor sich hersagen konnte, war: „Wieso ausgerechnet ich?“
Der Notar lächelte geduldig.
„Ihr Onkel hat wahrscheinlich geglaubt, dass Sie wegen Ihrer Ausbildung die einzige sind, die sein Lebenswerk fortsetzen kann.“ Er legte die Hände auf die vor ihm liegenden Papiere als fürchte er, ein Windstoß könne sie fortwehen. „Herr Solbach hatte ja außer Ihnen, seinen Geschwistern und deren Familie keine Angehörigen. Dass der Verlag nach seinem Tod verkauft werden könnte, hat ihn noch auf dem Sterbebett zutiefst beunruhigt.“
„Aha.“ Mehr fiel Annalena in diesem Moment nicht dazu ein. Sie saß da, wirkte schrecklich verloren in dem wuchtigen Besuchersessel und starrte auf die Hände des Anwalts.
Onkel Gustaf war mit Gottes Segen neunundachtzig Jahre alt geworden. Davon hatte er mindestens siebzig Jahre in diesem Verlag verbracht. Der Betrieb war sein ein und alles gewesen und hatte ihm so viel bedeutet, dass er nicht mal die Zeit gefunden hatte, sich eine Frau zu suchen und eine Familie zu gründen. Dummerweise hatte er auch vergessen, für sein Alter vorzusorgen und aus diesem Grunde hatte der gute Onkel bis zu seinem seligen Ende gearbeitet. Ein kleiner, alter Mann, dessen Fingerspitzen immer noch – Offset- und Digitaldruck zum Trotz – schwarz waren von der Druckerschwärze mit der er Jahrzehnte lang gearbeitet hatte.
Jedes Jahr hatte er Annalenas Familie pünktlich zum Weihnachtsfest mit einem geschmackvollen Kunstkalender beglückt. Als Annalena in diesem Augenblick einfiel, dass es in diesem Jahr, zum ersten Mal seit sie auf der Welt war, keinen dieser schönen Kalender geben würde, stiegen ihr die blanken Tränen in die Augen. Hastig kramte sie ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und schnäuzte sich kräftig.
„Also, ich besitze ab heute einen Verlag.“ Sie seufzte noch einmal, dann richtete sie sich auf, strich sich das blonde Haar aus dem Gesicht und sah dem Notar fest in die Augen. „Können Sie mir Näheres über den Betrieb erzählen? Wie viele Angestellte hatte mein Onkel zuletzt noch?“
Dr. Jonas Birkheimer zog unbehaglich den Kopf zwischen die Schultern. Es sah aus, als wollte er sich in sich selbst verkriechen.
„Ich weiß es nicht so genau – ein, zwei…“ Ihm schien eine Idee gekommen zu sein, denn sein Kopf tauchte wieder zwischen den Schultern auf. „Die Einzelheiten besprechen Sie am besten mit dem Steuerberater Ihres Onkels. Lassen Sie sich von ihm alles erklären und sehen Sie sich erst einmal alles genau an. Und dann entscheiden Sie in aller Ruhe, wie Sie weiterhin verfahren wollen. Ich möchte aber noch anmerken, dass das Verlagsgebäude alleine schon einen hohen Wert hat.“
„Der Verlag hat nicht mehr viel abgeworfen, stimmt’s?“ Annalena beugte sich vor, um dem Notar intensiv in die Augen blicken zu können. „Ich kann mich erinnern, dass mein Onkel in den letzten Jahren immer sagte, dass der Laden gerade so viel abwirft, dass er davon existieren kann.“
Der Notar stützte die Ellbogen auf die Schreibtischplatte und legte die Fingerspitzen aneinander.
„Ihr Onkel hat keine Schulden hinterlassen, so viel kann ich Ihnen verraten.“ Er lächelte, was Annalena etwas irritierte. „Er hat seine Angestellten bis zuletzt regelmäßig entlohnt. Sein Haus in der Kärntner Straße und das Verlagsgebäude an der Mühlgasse sind beide hypothekenfrei.“ Der Notar seufzte. „Allerdings will ich Ihnen nicht verschweigen, dass es mit dem Betrieb stetig bergab geht. Es ist sehr schwer, sich heutzutage gegen die großen Verlage zu behaupten. Aber das wissen Sie sicherlich alles besser als ich.
Und ob, dachte Annalena grimmig. Seit Jahren wurde im Printmedienbereich erbittert um Markanteile gekämpft. Darunter litt oft die Qualität, denn man musste preiswert produzieren. Wer nicht wagte, neue Wege zu beschreiten, war in diesem
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