Historical Exklusiv Band 42
fragte sie vorsichtig. „Ich würde mir gerne etwas Riechsalz holen gegen meine Kopfschmerzen. Ich bin sofort wieder zurück.“
„Natürlich, Liebes. Du musst dich nicht beeilen. Und Tallie …“ Lady Parry lächelte sie an. „Bitte, nenn mich wieder Tante Kate. Ich komme mir vor wie hundert, wenn ihr beide mich so förmlich anredet.“
Als er das Zwinkern in den Augen seiner Tante entdeckte, entspannte Nick sich. Sie waren also nicht so tief gefallen, wie er befürchtet hatte. Vor allem Talithas wegen war er ungemein erleichtert. Er stand auf, öffnete die Tür für sie und lächelte ihr beruhigend zu. Sie errötete und senkte verlegen den Blick.
Nick drehte sich zu seiner Tante um. Sie wusste genau, was auf dieses nächtliche Abenteuer folgen musste, selbst wenn Miss Talitha Grey sich der Konsequenzen nicht bewusst war. Wie würde Tallie wohl reagieren, wenn es ihr klar wurde? Nicht, dass es einen Unterschied machte – seit sie sich letzte Nacht gemeinsam auf diesen Sims begeben hatten, war sie ebenso darin verwickelt wie er.
Wieder lief er hin und her und berichtete weiter, ging dabei jedoch mehr ins Detail als in Talithas Gegenwart. Schließlich legte er seiner Tante den Entschluss dar, zu dem er nach einem Vormittag reiflicher Überlegung gekommen war.
Im oberen Stock gab Talitha ein paar Tropfen Riechsalz in ein Glas Wasser, zog eine Grimasse und leerte es in einem Zug. Der Gedanke an ihr weiches Bett war sehr verlockend, sie konnte jedoch nicht einfach davonlaufen und Nick den zweifellos nun folgenden Belehrungen seiner Tante überlassen. Sobald sich Lady Parry von dem ersten Entsetzen erholt hatte und handeln konnte, würde sie, dessen war Talitha sich sicher, nicht sie beide verstoßen. Nick verdiente nicht weniger als ihren tiefsten Dank.
Rainbird schloss gerade die Tür, als Talitha das Vestibül betrat. Er legte eine Nachricht auf das Tablett, bevor er sie ihr überreichte. „Dies ist soeben für Sie abgegeben worden, Miss Grey.“
Talitha erkannte Zenobias Handschrift. Ohne weitere Umstände riss sie den Umschlag auf und überflog den Inhalt.
… absolut perfekt, liebste Tallie! Ich habe mir erlaubt, die Unterlagen direkt an deinen Anwalt zu schicken, aber ich konnte natürlich keine Zusage abgeben ohne deine persönliche Zustimmung. Komm bitte her und sieh es dir an – ich könnte es nicht ertragen, solch ein perfektes Haus zu verlieren …
Eilig überflog Talitha die eng beschriebenen Seiten. Es sah Zenobia gar nicht ähnlich, so ins Schwärmen zu geraten, sie musste also tatsächlich das ideale Haus für ihren lang gehegten Traum einer Schule gefunden haben. Während sie las, bewegte sie sich langsam auf die Tür zum Schreibzimmer zu. Sie hielt vor der angelehnten Tür und schob die Seiten zusammen, bevor sie den Raum betrat.
Auf der anderen Seite der Tür sagte Lady Parry gerade etwas und die Worte bannten Talitha an Ort und Stelle. „… nicht im Entferntesten das, was du im Sinn gehabt hast – eine passende Debütantin aus dieser Ballsaison – ich glaube, so hast du dich letztens ausgedrückt, als wir über deine Heirat sprachen.“
Nick schien im Zimmer umherzugehen. Seine Stimme wurde erst lauter, dann so leise, dass sie nichts mehr verstehen konnte. Talitha lauschte gespannt, achtlos zerknüllte sie dabei Zenobias Brief zwischen den Fingern.
„Natürlich, es wird ja langsam Zeit, das sagst du mir schließlich ständig … Kinder zulegen … passt perfekt … ich hatte an Lord Rushinglys älteste Tochter gedacht, vielleicht. Sie im Sommer nach Heronsholt einladen, dort eine Feier geben …“
„Nun gut, aber du hattest keine Gelegenheit, dich ihres Interesses zu versichern“, bemerkte Lady Parry anscheinend besorgt. „Oder habe ich da etwas verpasst?“
„… zu sehr mit seinen Geschäften beschäftigt, eine Gnade, wie sich jetzt herausstellt …“
„Sie weiß aber anscheinend gar nicht, dass diese ganze Geschichte bedeutet, dass sie dich heiraten muss, nicht wahr?“, bemerkte Lady Parry.
Wer? Talitha schüttelte den Kopf. Ratlos, verwirrt und mit wachsender Besorgnis, die ihr wie ein Kloß im Magen lag, stand sie wie angewurzelt. Wer?
„Tallie?“ Nicks Stimme erklang so nah bei der Tür, dass sie aufschreckte und ihr die Seiten des Briefes aus der Hand fielen. „Ich glaube nicht, dass ihr auch nur einen Moment der Gedanke gekommen ist, wie kompromittierend diese Angelegenheit für sie ist oder welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.“
Auf Händen
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