historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
Ton. „Da deine drei Brüder sich zum Feste der Geburt des Herrn in Warfield eingefunden hatten, erklärte ich deinem Vater, es sei nicht notwendig, sich an der Verfolgung der Angreifer zu beteiligen, und riet ihm, die Heilige Nacht lieber im Kreise der Familie und bei seinem kleinen Enkel zu verbringen. Ich nahm also die meisten der waffenfähigen Männer und zog mit Richard gegen die Mordbrenner aus. Der Angriff auf Kirkstall war indes nur eine List, um uns aus Warfield fortzulocken. Nach der Rückkehr erfuhren wir von den Leibeigenen, die sich, vom Kampfeslärm aufgeschreckt, in den Wald geflüchtet hatten, dass die Veste am Morgen nach der Christnacht, als jeder noch im Schlafe lag, überrannt worden war. Ich bin überzeugt, jemand hat das Gemetzel ganz bewusst befohlen. Der Wohnturm war niedergebrannt und jedes Leben ausge
löscht. Es war ein grauenvoller Anblick. Die wenigen verbliebenen Verteidiger müssen sich tapfer gewehrt haben, aber sie waren der Übermacht unterlegen.
Neben dem Leichnam deines Vaters haben wir sein Schwert gefunden. Es hat das Feuer unversehrt überstanden."
Bei den Worten des Hauptmannes war mit Adrian de Lancey eine Veränderung vorgegangen. Jäh war alles Kindliche von ihm abgefallen, und ein harter, entschlossener Zug lag um seinen Mund. Kein Muskel regte sich in seinem starren Gesicht; nur aus den Augen sprach flammender Zorn.
„Wer?" fragte er verhalten, aber in seiner gedämpften Stimme schwang unerbittliche Schärfe mit.
„Guy de Bourgoigne", antwortete Walter of Evesham verächtlich und spuckte, ungeachtet des geheiligten Ortes, auf den Steinboden. „Ein hochgeborener Schurke, der versucht, sich im nördlichen Grenzgebiet ein eigenes Reich aufzubauen! Er weiß genau, dass der König ihn nicht bestrafen wird, da er zu seinen eifrigsten Anhängern zählt. Es war nicht vorauszusehen, dass er sich so weit gen Süden wagen und einen Baron meucheln würde."
Adrian de Lancey drehte sich um, kniete sich vor den Abt und sagte, demutsvoll das Haupt beugend: „Ehrwürdiger Vater, sosehr es mich auch schmerzt, ich muss Fontevaile verlassen.
Bitte, erteile mir deinen Segen."
„Wie du wünschst, mein Sohn." Abt Honorius legte dem Jüngling die Hand auf den Kopf, sprach die lateinischen Worte und seufzte dann leicht. „Strebe stets nach Mäßigung, innerer Überlegenheit und Einsicht", fügte er mahnend hinzu. „Du bist dir selbst der größte Feind."
„Das weiß ich, Ehrwürdiger Vater", erwiderte der Novize und richtete sich wieder auf.
Sich umwendend, nahm er das Schwert aus Walter of Eveshams Händen, zog es langsam aus der Scheide und betrachtete einen Herzschlag lang die aufblitzende, ziselierte Klinge. Dann hob er es bedächtig an die Lippen und drückte einen Kuss auf den juwelenge schmückten Knauf, den seines Vaters Finger so oft umspannt hatten.
Jäh bemerkte Walter, der sich erhoben hatte, eine Ähnlichkeit, die ihm bislang nicht aufgefallen war, und wich, unwillkürlich den Atem anhaltend, einen Schritt zurück. Durch Adrians besonnen gezähmten inneren Aufruhr, die kaltblütig bewahrte Ruhe, fühlte er sich an einen anderen Edelmann erinnert, einen Mann von großer innerer Kraft und unbeirrter Zielstrebigkeit. Fast hatte Walter den Eindruck, Thomas de Marie, der Seigneur de Coucy, stünde vor ihm. Nie hätte er damit gerechnet, je eine Spur von Adrians Großvater im Antlitz eines seiner Enkel zu sehen. Die Erkenntnis, dass Eleanor de Coucy, diese weichherzige, sanftmütige Frau, dem Sohne die eiserne Willensstärke und den Hang zur gnadenlosen Rachsucht ihres Vaters vererbt zu haben schien, war erschütternd und beängstigend.
Adrian de Lancey straffte sich und sagte in bestimmendem Ton: „Walter, nimm mich zu den Waffen!"
„Du bist doch erst fünfzehn!" wandte der Hauptmann ein. „Außerdem ist die Schwertleite einer der feierlichsten Momente im Leben eines Manne s. Es ist nicht recht, das überstürzt zu tun. Im übrigen hast du bisher weder die Waffenwache gehalten noch das Reinigungsbad vollzogen."
„Ich bin schildbar", widersprach Adrian fest. „In Courtenay habe ich als Wappenknabe den Heeresdienst erlernt und mich hier in Fontevaile zwei Jahre durch Gebet und Fasten vorbereitet. Walter, ich darf keine Zeit verlieren! Vielleicht ist Guy de Burgoigne schon in diesem Augenblick ausgezogen, um sich das Land meines Vaters anzueignen! Wenn ich euch gegen ihn ins Feld führen soll, muss ich ein Chevalier sein. Ich erwarte von dir, dass du mir den
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