Historical Saison Band 18 (German Edition)
„Da die Jungs und ich, wie man sagen könnte, unser Bestes tun, um nix mit den Kerlen aus der Bow Street zu tun zu haben, verabschiede ich mich lieber für heut’, Mylord.“
Obgleich ihm das, was er nun in die Wege leiten musste, gar nicht behagte, musste der Viscount über den eigentümlichen Humor seines Besuchers lächeln, als er sich wieder an den Schreibtisch setzte. Er holte eine samtüberzogene Schatulle aus der Schublade, klappte den Deckel auf und betrachtete eine Weile den kostbaren, funkelnden Inhalt, bevor er nach seiner Schreibfeder griff und zwei kurze Briefe verfasste.
Wie die Duchess of Merton galt Lady Lavinia Radcliffe schon seit vielen Jahren als eine der vollendetesten Gastgeberinnen Londons. Ihr alljährlicher Ball, der stets Mitte Juni stattfand, galt seit langer Zeit als Höhepunkt der Saison. Nur wer zur Crème de la Crème der Gesellschaft gehörte, wurde zu ihm eingeladen. Folglich galt es als besondere Ehre, auf der Gästeliste zu stehen.
Da die verwitwete Countess und Lady Lavinia seit ihrer Kindheit befreundet waren, waren die Einladungen zu der prestigeträchtigen Veranstaltung bereits vor einigen Wochen ins Stadthaus der Grenvilles gesandt worden. Georgiana hatte dies nicht weiter überrascht, ebenso wenig wie eine sichtlich in Eile geschriebene Mitteilung Lord Finchams. Er bat sie darin, bei dieser Gelegenheit das wunderschöne Collier zu tragen, das er ihr zur Verlobung geschenkt und bereits früher am Tag hatte zu ihr bringen lassen. Immerhin gehörte der Ball der Radcliffes zu den prunkvollsten Ereignissen des Jahres, bei denen jeder Anwesende sich in vollem Staat zeigen würde.
Sie beschloss indes, nicht das bezaubernde dunkelblaue Abendkleid anzuziehen, das sie bei der Verlobungsfeier getragen hatte. Stattdessen entschied sie sich für die creme- und roséfarbene Kreation, die sie ursprünglich zu Beginn der Saison auf dem Ball der Mertons hatte tragen wollen. Auch mit dieser Wahl erntete sie Lord Finchams bewundernde Blicke, als sie in Begleitung der Countess und Lady Sophias das eindrucksvolle Stadthaus der Radcliffes erreichte. Überraschenderweise wartete der Viscount dort bereits auf sie.
„Sieh an, sieh an! Es passt gar nicht zu dir, so früh am Abend zu erscheinen“, spottete sie. „Es ist doch eher deine Angewohnheit, einer der letzten Gäste zu sein, damit dein Erschienen besondere Beachtung findet.“
Lady Sophia, die in der Gegenwart des Viscounts längst alle Schüchternheit abgelegt hatte, kicherte zustimmend. Selbst die Witwe konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. Nur Lord Fincham schien überhaupt nicht belustigt.
„Es scheint mir, du bist in den letzten Tagen ausgesprochen vorlaut geworden, mein Mädchen. Ich muss eindeutig mehr Zeit mit dir verbringen, um dein Benehmen zu verbessern. Und ich werde unverzüglich damit beginnen.“ Er wandte sich an die alte Dame. „Mit Ihrer Erlaubnis, Madam, befreie ich Sie in der nächsten halben Stunde von dem verderblichen Einfluss meiner Verlobten.“
Zunächst wunderte sich Georgiana nicht, dass er ihren linken Arm bei sich einhakte. Sie wurde jedoch neugierig, als er sie zielstrebig aus dem längst überfüllten Ballsaal führte. „Gibt es etwas, das du dringend mit mir unter vier Augen besprechen möchtest? Hat sich etwa Neues ergeben?“
„Nein, nicht wirklich.“ Mit einem Mal wurden seine Blicke verwegener. „Mein Gott, wie habe ich dich in den letzten Tagen vermisst!“
Würde er doch bloß solche Äußerungen unterlassen! Wenn er sie nur nicht auf diese leidenschaftliche Weise ansehen würde – als ob er mit seinen Augen von ihr Besitz ergreifen wollte. Sie bildete sich fast ein, dass er tatsächlich mehr für sie empfand. Und vielleicht war das in gewisser Hinsicht auch der Fall. Waren sie nicht meist hervorragend miteinander ausgekommen? Aber mehr als eine aufrichtige Zuneigung daraus abzuleiten, ist vermessen und äußerst gefährlich, rief sie sich mahnend in Erinnerung.
„Um dir zu beweisen, wie sehr du mir gefehlt hast, möchte ich, dass du meine Partnerin bei ein paar Runden Whist bist. Es dauert auch nicht allzu lange“, verkündete er unerwarteterweise. Seine Stimme hatte nun den verführerischen Ton wieder verloren und klang nicht anders als höflich. „Nachdem wir in der Vergangenheit hinreichend Schach miteinander gespielt haben, weiß ich immerhin, dass es dir nicht an strategischem Talent mangelt.“
Das ließ sich nicht bestreiten. Als er sie zu einem ovalen Tisch im
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