Historical Saison Band 18 (German Edition)
Luxus leisten können, mit einer Mietkutsche zu verreisen? Und diejenigen, die das bezahlen können, besitzen gewöhnlich eine eigene Kutsche. Außerdem reisen junge Damen meist nicht allein, sondern haben wenigstens eine Zofe bei sich.“
„Ja, das war vermutlich töricht von mir“, räumte sie ein. „Aber ich hatte noch nie eine Zofe und ich konnte wohl kaum mit einem Dienstmädchen der Witwe fortlaufen.“
„Nun, ab heute hast du eine eigene Zofe. Sie wartet unten auf dich“, teilte er ihr zu ihrer Überraschung mit. „Brindle hat eine geeignete junge Frau gefunden, bevor wir das Haus am Berkeley Square geschlossen haben und nach Fincham Park aufgebrochen sind. Charles ist bereits dort, um als mein Trauzeuge zu fungieren, und die Countess und Lady Sophia bleiben ebenfalls für ein paar Tage unsere Gäste.“
Er stand auf und lächelte, als er ihre ungläubige Miene sah. „Jetzt ist es nur noch an dir, dich für die Hochzeit fein zu machen.“ Er schaute auf seine Taschenuhr. „Und dir bleibt nur noch eine halbe Stunde, bis wir zur Kirche aufbrechen müssen, mein Schatz.“
In diesem Moment verließen sie auch die allerletzten Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Vorhabens. „Oh, das ist wirklich gemein von dir, Ben! Ich habe überhaupt nichts Passendes zum Anziehen.“
„Ich bin mir sicher, dass dir und deiner neuen Zofe etwas einfallen wird.“ Er schlenderte zur Tür, drehte sich jedoch noch einmal um. Seine Augen funkelten herausfordernd, als er hinzufügte: „Oder soll ich dich einfach so nehmen, wie du jetzt bist? Sei dir eines ganz gewiss, mein Mädchen: Ich verlasse dieses Haus in einer halben Stunde und du wirst mit mir fahren.“
Sie strahlte ihn mit ihren veilchenblauen Augen an. „Du kannst dich darauf verlassen, Ben. Aber jetzt verschwinde und schicke mir bitte die Zofe nach oben. Wenn ich auf meiner eigenen Hochzeit halbwegs vorzeigbar aussehen soll, habe ich keine Sekunde mehr zu verlieren!“
– ENDE –
Sinnliche Blume von Hongkong
1. KAPITEL
D ie Position, in der Isabelle Lei Hennessey unter dem Sims des großen Fensters kauerte, war alles andere als angenehm, und sie wagte kaum zu atmen, während sie wartete. Die Sonne war fast untergegangen, doch ihre letzten Strahlen warfen ihr Licht noch immer auf die Häuserwände und in die engen Gassen. Isabelle war darauf bedacht, sich im Schatten der kunstvoll in Form geschnittenen, großen Sträucher zu halten. Sie war ganz in Schwarz gekleidet – in einen Anzug aus geschmeidiger Seide, der sich wie eine zweite Haut an ihren kurvigen Körper schmiegte und ihr größtmögliche Bewegungsfreiheit gewährte. Außerdem erlaubte er ihr, sich völlig lautlos zu bewegen. Sollte man sie entdecken, würde ihr Aufzug im viktorianischen Hongkong größten Anstoß erregen. Allerdings wäre ein rufschädigender Skandal vermutlich noch ihr geringstes Problem, wenn jemand den Grund herausfinden sollte, aus dem sie dieses sinnlich geschnittene Kleidungsstück trug …
Doch so bequem und praktisch ihre ungehörige Bekleidung auch war, sie linderte nicht den Krampf, den sie in ihrem rechten Bein spürte.
Natürlich – ausgerechnet heute verspäten sie sich, schimpfte sie innerlich.
Dann – endlich – verrieten ihr die schlurfenden Schritte der Träger die Ankunft der Sänfte. Sie duckte sich noch tiefer in ihr Versteck und beobachtete, wie Familie Wilkinson aus ihrer luxuriösen Villa trat. Mrs Wilkinson war eine zierliche Frau, die mit ihrem schmalen Gesicht an einen Vogel erinnerte. Ihr Gatte hingegen war so rundlich, wie ein Mann nur sein konnte. Isabelle beobachtete, wie er unbeholfen in die Sänfte stieg, die ächzend heruntersank, während sich die chinesischen Träger angestrengt bemühten, das unerwartete Gewicht zu stemmen.
„Oh, das ist völlig unmöglich!“
Isabelles Blick flog zu der jungen Miss Wilkinson, der Tochter des Hauses, deren Gesicht sich rasch vor Ärger rötete. Die wenig attraktiven Falten, die sich um ihren Schmollmund gruben, boten einen scharfen Kontrast zu ihrer prächtigen, eleganten Abendrobe. Vermutlich will sie sich heute Abend einen der neu eingetroffenen, reichen Junggesellen angeln, dachte Isabelle.
„Was um Himmels willen ist los, Liebes?“, fragte Mrs Wilkinson, die es sich bereits neben ihrem Gatten in der Sänfte bequem gemacht hatte.
Miss Wilkinson stemmte ihre behandschuhten Fäuste in die Hüften und wirkte wie ein trotziges kleines Kind. Sie deutete anklagend auf die Sänfte.
„Diese
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