Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
fromm! Kommt mit, kommt mit!“
Joan blieb keine andere Wahl, also folgte sie der Frau in ein kleines, aber erlesenes Gemach mit Wandteppichen und zwei extravaganten, wärmespendenden Kohlenpfannen. Inzwischen war ihr klar, dass es sich bei der Frau um Edmunds Schwester Lady Letitia handelte, die von einem Schwarm Dienstmädchen umgeben war, von denen jedes edler gekleidet war als Joan. Immerhin trug sie nach wie vor ihr Kostüm der gesegneten Jungfrau, das die schlichte Kleidung der Frau eines Zimmermanns darstellte. Doch selbst in ihrem festlichsten Kleid hätte Joan es weder mit Lady Letitia noch deren Dienstmädchen aufnehmen können.
Doch sie schob den Gedanken schnell beiseite, da man sie augenblicklich bis auf die nackte Haut auszog und in einen großen, aromatisch duftenden, mit Leinen gesäumten Badezuber steckte. Zwar versuchte sie zu protestieren, aber dennoch kümmerte sich kurz darauf jedes der Dienstmädchen liebevoll um eine andere Partie ihres Körpers. Schließlich legte sie sich zurück und sah zu Lady Letitia, die das Geschehen überwachte.
Edmunds Schwester konnte es nicht mit seiner atemberaubenden Schönheit aufnehmen. Sie war von mittlerer Größe und durchschnittlicher Statur, und ihr Haar schimmerte eher dunkelblond. Es war ihr Selbstbewusstsein und ein Vermögen an Seide und Edelsteinen, die sie wie eine Göttin erscheinen ließen.
„Was geschieht hier?“, fragte Joan.
Lady Letitia lächelte sie fröhlich an. „Mein Bruder wird genesen“, sagte sie, als sei damit die Frage beantwortet.
„Gott sei gelobt. Aber ich wollte wissen, warum ich wie … wie …“ – ihr wollte kein passender Vergleich einfallen, sie wusste nur, dass ihr so etwas noch nie widerfahren war –, „… wie ein Ehrengast behandelt werde.“
„Weil Ihr das seid!“, rief Letitia, kniete sich neben ihr hin und nahm einem Dienstmädchen den Kamm aus der Hand, um Joans zerzauste Haare zu bürsten. „Ihr habt Edmund gerettet.“
Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sich ihre Zöpfe gelöst hatten und ihr Haar völlig zerzaust sein musste. Auch wenn Joan der Status einer heldenhaften Jungfrau zugeschrieben wurde, würde sich Lady Letitia wohl nicht freuen, wenn sie erfuhr, dass ihr Bruder den größten Teil des Unheils selbst angerichtet hatte. Sie fühlte sich versucht zu lachen oder zu weinen … oder beides gleichzeitig.
War sie bislang in dem Glauben gewesen, allein die Fehde zwischen ihren Familien mache eine Ehe unmöglich, musste sie nun erkennen, dass auch alles andere dagegen sprach. In Woldingham fühlte sie sich bereits wie eine arme Verwandte, aber hier kam sie sich so fehl am Platz vor, als gehöre sie eigentlich in einen Schweinestall.
Sie ließ es zu, dass man sie wusch und abtrocknete, auf das Bett legte und sie mit Duftölen massierte. Während sie langsam einschlief, ging ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie eigentlich nicht wie ein Ehrengast behandelt wurde. Die Vorgehensweise erinnerte mehr daran, wie man ein Lamm behandelte, das zum nächsten Osterfest geopfert werden sollte.
Ein Opferlamm. Genau das würde sie sein. Der nächste Schritt bestand darin, sie im Austausch für Gerald de Graves an ihren Onkel zu übergeben.
Dann konnte das Abschlachten beginnen.
6. KAPITEL
Es war die sanfte Berührung einer Hand, die Joan aus dem Schlaf holte. Einen Moment lang verwirrten sie die ungewohnt weiche Unterlage und der Geruch nach Parfüm. Wo war sie? Dann kehrte die Erinnerung zurück, und Joan setzte sich hastig auf, bereit, sich ihrem Schicksal zu stellen.
Ihre schnelle Bewegung ließ sie zusammenzucken, da ihr ganzer Körper sich wund und steif anfühlte, vorwiegend an solchen Stellen, über die sie nicht reden wollte.
Obwohl ein Dienstmädchen abwartend bei ihr am Bett stand, schloss sie noch einmal die Augen und versuchte, die Erinnerung an einen Moment in der Höhle zurückzuholen, doch die vergangene Nacht erschien ihr jetzt wie ein Traum, der sich ihrer bewussten Wahrnehmung entzog.
Sie schlug die Augen auf und schaute die Frau im mittleren Alter an. „Es ist so weit, nicht wahr?“ Zeit, sie an ihren Onkel zurückzugeben.
„Aye, Mylady, so ist es. Kommt, steht auf, damit wir Euch ankleiden können.“
Joan entdeckte zwei weitere Dienstmädchen, ein älteres und ein jüngeres, sowie eine Auswahl an edlen Kleidern. „Oh, das ist nicht nötig.“ Wenn sie als zerlumpte Jungfrau zurückkehrte, würde das vielleicht den Zorn ihres Onkels ein wenig besänftigen. „Mir
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