Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
verschloss die Tür hinter sich. Niemandem war es erlaubt, diesen Raum zu betreten, nicht einmal einem Dienstmädchen. Es war ihr ganz privater Ort, an dem sie selbst für Ordnung sorgte.
Dabei war das Schlafgemach ganz bestimmt nicht annähernd so luxuriös eingerichtet, wie jeder vermutete.
Nach dem Tod ihres Ehemanns war sie nahezu mittellos gewesen. Als sie ihre Habseligkeiten Stück für Stück verkaufte, hatte sie nach Wegen gesucht, wie sie Geld verdienen konnte. Dann auf einmal erinnerte sie sich an verschiedene adlige Besucher, die sich über die erbärmliche Ignoranz ihrer Ehefrauen beklagten, was deren Pflichten und Verantwortlichkeiten als Burgherrin anging. Das brachte sie auf die Idee, für die Töchter aus besserem Haus Unterweisungen anzubieten, damit die solche Dinge erlernten. Als sie jene Adligen anschrieb, von denen sie wusste, dass sie Töchter im richtigen Alter hatten, zeigten vier von ihnen Interesse. Da sie bei ihnen einen guten Eindruck hinterlassen wollte, gab sie ihr letztes Geld aus, um gutes Essen, einen komfortablen Saal und angemessene Unterkünfte für die Mädchen bereitzustellen. Es bedeutete zwar, dass sie selbst ohne Geld auskommen musste, aber das Risiko war es wert, als die Adligen sich einverstanden erklärten, ihre Töchter in ihre Obhut zu geben und sie dafür zu bezahlen, dass sie ihnen beibrachte, was sie wissen mussten.
Anfangs waren die tagtäglichen finanziellen Engpässe der wesentliche Grund, die Mädchen über die Weihnachtszeit nach Hause zu schicken, weil diese festliche Zeit zugleich Mehrausgaben für besondere Gerichte und für Geschenke bedeutete.
Mit den Jahren hatte Katherine mehr und mehr Schülerinnen akzeptiert und die für alle zugänglichen Bereiche ihres Heims verschönert, um bei den Eltern einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ihr eigener Komfort konnte dagegen noch warten.
Und er wartete tatsächlich immer noch, wie ihr bewusst wurde, als sie mit unzufriedenem Blick ihr spartanisch eingerichtetes Quartier musterte. Es gab einen schlichten Holztisch, einen Hocker und ein Bett mit Strohmatratze, auf der ein einfaches Laken und zwei raue Wolldecken lagen.
Katherine schlug Feuerstein und Stahl aneinander, um den Zunder in der Kohlenpfanne zu entzünden, den sie am Morgen vorbereitet hatte, ehe sie das Zimmer verließ. Als er brannte, zündete sie eine Kerze an – was sie nur selten tat –
und ging zu ihrer Truhe, die sie so lange durchwühlte, bis sie den Spiegel fand, den sie dort vor langer Zeit untergebracht hatte. Vermutlich hätte sie ihn nach dem Tod ihres Mannes genauso verkaufen sollen wie all ihre Hochzeitsgeschenke.
Doch ein Rest von weiblicher Eitelkeit hatte sie dazu verleitet, den Spiegel weiter aufzubewahren, wodurch sie nun in der Lage war, ihr Gesicht zu betrachten. Ihre Züge hatten sich gar nicht so sehr verändert wie angenommen. An den Augenwinkeln bemerkte sie ein paar Fältchen, ebenso auf ihrer Stirn, und doch sah sie gar nicht so alt aus. Sie legte den Spiegel weg, nahm Mütze und Kopftuch ab, dann schüttelte sie ihr Haar aus. Die dichten kastanienfarbenen Locken fielen ihr bis zur Taille. Wieder griff sie nach dem Spiegel und musterte nüchtern die wenigen grauen Strähnen inmitten des Rotbraun.
Auf einmal stutzte sie und beeilte sich, den Spiegel zurück in die Truhe zu legen.
Sie war kein eitles, dümmliches Mädchen, das kurz davor stand, eine Frau zu werden, und deshalb ihr Spiegelbild so gründlich musterte. Sie war eine reife, angesehene Frau. Das freundliche Gerede eines gut aussehenden Mannes sollte für sie kein Grund sein, sich wieder wie eine unerfahrene, naive Frau aufzuführen.
Nicht nach allem, was sie durchgemacht hatte. Am nächsten Morgen wurde Katherine durch den Schrei einer Frau, der vom Hof kam, aus dem Schlaf gerissen.
Sie war mit einem Satz aus dem Bett, legte sich eine der rauen Wolldecken um die Schultern und lief zum Fenster, ohne sich um ihre eiskalten Füße zu kümmern.
Als Erstes fiel ihr auf, dass es nicht mehr schneite. Der Boden war von einer weißen Schicht überzogen, und die feuchten Steinmauern rings um den Hof glitzerten im Schein der Morgendämmerung, als wären sie mit Diamanten besetzt.
Dann bemerkte sie ein weißes Objekt, das durch die Luft flog. Das Geschoss aus Schnee kam aus Richtung der Stalltür, die nur einen Spaltbreit offen stand, und traf mit einem sogar bis hier oben zu vernehmenden, dumpfen Laut den Wachmann genau im Rücken, gerade als der sich der Küche
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