HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
unter Frauen waren nicht gern gesehen, da eine Ehefrau sich ganz auf ihre Pflichten konzentrieren sollte.
Und da die Kirche den Standpunkt vertrat, Gott habe das Weib dem Manne untertan gemacht, glaubte man, jede eigenständig denkende und handelnde Frau sei vom Teufel besessen. Die Gerichte waren den Frauen so wenig geneigt wie die Kirche: Wenn eine Frau ihren Ehemann tötete, wurde sie wegen Verrats hingerichtet, da ihr Mann auch ihr Herr und Meister war. Ein Mann dagegen konnte sich einen Freispruch erkaufen, falls er seine Frau tötete. Solange Männer das Sagen hatten, bildeten sie eine verschworene Gemeinschaft, die Frauen schlechter behandelte als Leibeigene. Und ganz sicher werden sie das bis ans Ende der Zeit so fortsetzen, dachte Joy verbittert.
„Nun, aber Campion ist kein Junge, der Euch von Verwandten aufgezwungen wurde, sondern ein Mann, der Macht genug hat, um sein Schicksal selbst in der Hand zu halten. Ihn zu heiraten, wäre etwas ganz anderes. Keine Sorgen mehr wegen der Ernte oder des Guts oder wegen
irgendetwas anderem.“
Roesia seufzte bei diesem Gedanken, während Joy große Schuld wegen der vielen mageren Jahre verspürte. Sie hatte ihr Bestes getan, um den kleinen Haushalt und die umliegenden Ländereien zu führen, ohne sich von irgendjemandem dabei helfen zu lassen, doch ihr Vermögen war denkbar klein und es gab immer wieder einen Anlass, von dem Wenigen noch etwas ausgeben zu müssen.
Da sie von Joys Überlegungen nichts ahnen konnte, grinste Roesia sie listig an. „Und da Ihr an dem Earl Gefallen gefunden habt, könnt Ihr Euch dann jede Nacht und jeden Tag an seinem Anblick erfreuen!“
Der Überschwang in der Stimme ihrer Dienstmagd ließ Joy die Stirn runzeln. „So verlockend das auch ist“, antwortete sie spitz, „bin ich deswegen noch lange nicht bereit, mein Leben dafür zu ändern.“
„Aber der Earl ist nicht so wie die meisten Männer. Er ist belesen, er denkt anders als andere, und Ihr werdet sicher nie erleben, dass er jemanden schlecht behandelt.“
Da hatte Roesia recht. Campion machte einen weisen, verständnisvollen Eindruck, doch wenn er ihr Ehemann war, dann würde sie ihm gehören, und Joy weigerte sich, irgendjemandes Besitz zu sein. Sie hatte hart kämpfen müssen, um auf ihrem Gut ihr eigenes Leben zu führen, das ihr alles gab, was sie brauchte.
Als hätte Roesia ihre Gedanken gelesen, sah sie sich in dem großzügigen Gemach um, das einen deutlichen Unterschied zu den beengten Quartieren darstellte, an die sie gewöhnt waren. „Und diese Burg ist der schönste Ort, den ich je gesehen habe.
Es gibt so viele reizende Dinge. Hier zu leben, das wäre so, als würde ein Traum wahr werden“, erklärte ihre Dienstmagd.
„Für Euch vielleicht. Für mich wäre es nur eine andere Art von Fessel, und ich werde nicht meine Freiheit für ein paar Möbelstücke und eine Handvoll Delikatessen auf meinem Teller hergeben.“
Wieder seufzte Roesia, während sie nach einem Band griff, um den Strauß zusammenzubinden. „Ihr seid eine starrsinnige Frau, Mylady. Ich will nur hoffen, dass Ihr nicht eines Tages Eure kostbaren Ansichten bereut, denn die werden Euch in einer kalten Nacht keine Wärme spenden.“
Diese Worte ließen Joy wieder an Campion denken, und sie stellte sich vor, wie sein kraftvoller Körper ihren wärmte, wie er die Kälte und alle andere Unbill von ihr fernhielt. Es war ein sehr verlockender Gedanke, den sie dennoch gleich wieder verwarf. Ein zusätzliches Fell würde sie auch wärmen, und es würde sie weniger kosten. Verärgert über ihre Dienstmagd war Joy schließlich in den Saal zurückgekehrt, wo sie den Abend damit verbrachte, das restliche Grünzeug um einen Holzrahmen zu binden, um daraus einen Friedensstrauß zu gestalten. Roesia war ihr keinerlei Hilfe gewesen. Diese Frau, von der sie ständig gedrängt worden war, doch endlich wieder einen Mann zu finden, weigerte sich vielmehr, Joy dabei zu helfen, einen Mann auf sich aufmerksam zu machen. Was für ein launisches Geschöpf!
Bei dem leichten Abendessen, das vor einer Weile serviert worden war, hatte Campion noch an der Tafel gesessen, doch danach war er verschwunden, und Joy verspürte eine gewisse Enttäuschung, begleitet von Wut auf sich selbst. Wann hatte sie sich je dafür interessiert, wo sich ein Mann gerade aufhielt, solange der keine Gefahr für ihr Zuhause darstellte? Vielleicht seit sie beschlossen hatte, die hohe Kunst der Verführung zu erlernen, überlegte sie und
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