HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
„Reizend“, antwortete er.
„Findet Ihr?“, fragte Joy. Seine Nähe bewirkte, dass ihr Atem schneller ging. Selbst im schwachen Schein der wenigen noch brennenden Kerzen konnte sie seine breiten Schultern sehen, ebenso die vornehme Körperhaltung. Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken und ihn berühren. „Dann müssen wir den Strauß seiner Bestimmung zuführen“, murmelte sie. Eine ungewohnte Kraft durchströmte ihren Körper, die sie niemals mit der Rolle einer Verführerin in Verbindung gebracht hätte, und sie behagte ihr sehr.
Campion zog fragend die Brauen hoch. Es war eine höfliche Geste … eine zu höfliche.
„Ein Kuss“, verlangte sie.
In seinen Augen blitzte Erstaunen auf, doch dann sagte er nur: „Gewiss doch.“ Und zu Joys Verärgerung schien er sich nicht im Mindesten über die Aussicht auf diesen Kuss zu freuen. Höchst würdevoll beugte sich der Earl vor, als wolle er sie auf die Wange küssen, doch das war nicht das, was Joy wollte.
Sie blühte eben erst in ihrer neuen Rolle als Verführerin auf, und im letzten Moment drehte sie den Kopf so, dass seine Lippen auf ihre trafen. Sie fühlten sich warm und kraftvoll an, und die Berührung war so köstlich, dass Joy nach seinem Waffenrock griff, um Campion näher an sich heranzuziehen. Dabei versuchte sie sich daran zu erinnern, wie es Stephen gelungen war, seine Zunge in ihren Mund vordringen zu lassen, doch es fiel ihr äußerst schwer, sich auf diese Frage zu konzentrieren, da in ihr ein nie gekanntes Feuer loderte.
Campion hielt einen Moment lang inne, und flüchtig glaubte Joy, er würde sie von sich stoßen wollen, so wie sie es bei seinem Sohn gemacht hatte. Ihrer Kehle entstieg ein leiser Protestlaut, aber fast gleichzeitig machte Campion den Mund einen Spaltbreit auf und legte seine Arme um Joy, während sich ihrer beider Atem auf wunderbare Weise vereinte.
Joy drückte sich an ihn, ließ ihre Hände über seine Brust gleiten und genoss, wie Campion den Kuss weit über das hinausführte, was der berechnende Stephen bei ihr versucht hatte. Es war keine kühle Zurschaustellung seines Könnens, sondern es steckte eine Leidenschaft dahinter, die es mit ihrer aufzunehmen vermochte. Eine Hand legte er hinter ihren Kopf, als wolle er verhindern, dass sie doch noch vor ihm zurückwich, mit der anderen strich er über ihren Rücken und ging dabei tiefer und tiefer, bis er sie um ihren Po legte, um sie hochzuheben. Joy spürte seine Erregung, als er sie anhob, und wand sich, weil sie mehr davon fühlen wollte. Es war so erschreckend, so urtümlich und so aufregend zugleich, dass sie einen lustvollen Schrei ausstieß.
Doch dann war es mit einem Mal vorüber. So plötzlich, wie Campion seinem Verlangen freien Lauf gegeben hatte, bekam er sich auch wieder unter Kontrolle. Joy protestierte mit einem erstickten Laut, da merkte sie, dass er sie ein Stück weit von sich entfernt absetzte, zwar sanft, aber doch entschieden.
Nur für einen winzigen Augenblick konnte sie seine bestürzte Miene sehen, dann hatte er auch schon den Kopf abgewendet.
„Verzeiht mir. Ich hatte kein Recht, Euch …“ Er stockte, und als er sich zu ihr umdrehte, trug er wieder seinen üblichen würdevollen Gesichtsausdruck. „Ihr müsst Euer Gemach aufsuchen. Es ist schon spät, und Ihr seid ohne Eure Dienstmagd.“
Das ist doch der Sinn des Ganzen!,
wollte Joy ihm zurufen. „Aber …“
„Es gibt keine Entschuldigung für mein Verhalten.“
„Aber …“
Jemand bewegte sich am Eingang zur Küche, woraufhin Campion wie ein Mann mit übersinnlichen Fähigkeiten rief: „Wilda, würdet Ihr bitte Lady Warwick zu ihrem Quartier begleiten?“
„Ja, Mylord“, kam deren Antwort, während Joy am liebsten vor Wut aufgeschrien hätte. So viel also zu ihrem Plan, Campion zu verführen! Aber was sollte sie machen?
Wilda einfach wegschicken und den Earl auf den Tisch drücken und sich auf ihn stürzen, um von ihm zu fordern, dass er ihr Verlangen befriedigte? Allein schon der Gedanke ärgerte sie, und so ließ sich Joy von Wilda begleiten, voller Wut über seine Abweisung.
Und trotzdem war ihr bewusst, für einen wundervollen Moment gespürt zu haben, wie sich die Erde unter ihr bewegt hatte. Und sie wusste, Campion fühlte das Gleiche, ob er es nun wollte oder nicht. Campion erwachte früh am Morgen aus einem rastlosen Schlaf, in dem er wieder Lady Warwick sah. Jedes dieser Bilder war fesselnd gewesen, doch es erfüllte ihn zugleich mit Schuld und Scham. Selbst
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