Historical Weihnachtsband Band 4
brauchte das Wort
„Gewürze“ und „Suez“ nur im selben Atemzug zu erwähnen, und schon war ihre Vernunft dahin. Claire zwang sich zur Ruhe und straffte die Schultern. Offenbar hatte eine Aura von Abenteuer die Macht, einem Mann größere Anziehungskraft zu verleihen, als er wirklich besaß.
„Erzähl uns von deinen Reisen“, bat Onkel Abner. „Hast du je reiche Paschas in ihren Palästen besucht?“
Ralph schien die Frage ein wenig unangenehm zu sein, aber er nickte nach kurzem Zögern. „Ja. Doch meistens hatte ich nur mit Menschen sehr viel niedrigeren Standes zu tun. Zunächst musste ich eine Anzahl von Plantagen in Indien aufsuchen. Mit der Zeit wurde ich weiter fort geschickt, nach Ceylon, Jakarta, Rangoon und Bangkok.
Und es gelang mir, eine Reihe großer Paläste zu bewundern, wenn ich Geschäfte mit den dortigen Fürsten abschloss.“
Paläste und Plantagen ...
„Du bist also auf richtigen Plantagen gewesen, wo Tee angebaut wird?“, fragte Tante Hortense und seufzte staunend, als er nickte.
„Hast du auch gesehen, wie sie Kühe angebetet haben?“ Tante Eloise sah ihn aufgeregt an.
„Oft. Wenn ‚anbeten‘ auch ein wenig übertrieben ist. Die Hindus glauben, dass die Seelen ihrer Vorfahren in Kühen wiedergeboren werden, wie auch in anderen Tieren.“
Tante Eloise presste die Hand an die Brust, offensichtlich empört. „Nun, mach dir nichts daraus, mein Lieber. Jetzt bist du ja wieder zu Hause in England, gesund und munter und auch noch rechtzeitig zum Weihnachtsfest. Und es gibt wohl kaum etwas Englischeres als Weihnachten, nicht wahr?“
An dieser Stelle hob er die Augenbrauen. „Wie konnte ich das vergessen? Ich habe euch etwas mitgebracht. Wenn ihr mich entschuldigen wollt.“ Er erhob sich und ging die Treppe zu seinem Zimmer hinauf.
„Er hat Geschenke mitgebracht?“, wiederholte Tante Hortense betroffen. „Aber wir haben gar nichts für ihn.“ Sie blickte in die Runde. „Für niemanden von uns. Wie lange haben wir Weihnachten schon nicht mehr gefeiert.“
„Nun, ich habe etwas, das ich ihm geben kann.“ Cousin Halbert stand auf, um sich in seine Werkstatt zurückzuziehen. Daraufhin erhoben sich auch die anderen.
Claire sah sie alle davonhasten und war zutiefst erleichtert, dass sie den Berg an Speisen, den sie auf ihren Teller geladen hatte, nun doch nicht essen musste.
Stattdessen trank sie in aller Ruhe ihren Kaffee.
Als sie später den Salon betrat, blieb sie kurz an der Tür stehen, um den Duft der Tannenzweige und den süßen Geruch der Wachskerzen zu genießen. Die Dankbarkeit über die Veränderung, die Cousin Ralphs Ankunft mit sich gebracht hatte, war größer, als Claire auszudrücken vermochte. Allerdings war sie nicht so glücklich über die Veränderung, die sie in sich spürte. Diese seltsamen Gefühle, diese anregenden, weiblichen Regungen – das konnte nichts Gutes bedeuten.
Kurz darauf versammelte sich die gesamte Familie im Salon, und auch Ralph ließ nicht mehr lange auf sich warten, sondern erschien mit einigen, in braunes Papier eingewickelten Paketen auf dem Arm, die er mit ernster Miene verteilte. Abners Geschenk enthielt eine schön geschnitzte Rosenholzpfeife, Halbert erhielt ein Buch über indische Architektur, und Hortense, Tillie und Eloise bekamen kostbare Seidenstoffe in den lebhaftesten Farben, die Ralph „Saris“ nannte. Er zeigte ihnen dann, wie sie den fließenden Stoff umlegen mussten, damit er ein elegantes und gleichzeitig praktisches Kleidungsstück ergab.
Claire sah die Freude in ihren Gesichtern, bewunderte die wunderschönen Stoffe und genoss das Gelächter, das diese Räume seit Ewigkeiten nicht mehr erfüllt hatte.
Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt, ihre Familie wieder so zu erleben – glücklich und voller lebhafter Neugier. Als Ralph mit einem kleinen länglichen Päckchen auf sie zukam, hielt Claire überrascht den Atem an.
„Es tut mir so leid, aber ich muss zugeben, dass ich dein Alter vergessen hatte.“ Er reichte ihr das Geschenk. „Ich war nicht einmal sicher, ob du noch hier lebst. Aber ich denke, das hier passt ganz gut.“
Claire packte eine kleine Statuette eines beleibten Mannes mit dem Kopf eines Elefanten aus, der zu tanzen schien. Überrascht sah sie zu Ralph auf.
„Ganesh.“ Er lächelte belustigt über ihre Reaktion. „Eine Figur, die in der hinduistischen Religion sehr verehrt wird. Er ist der Gott der Anfänge und der Hindernisse.“ Er senkte die Stimme, und sein Ton wurde
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