Hochzeit auf Raten
Freude daran verdorben hatte.
Wieder in der Redaktion, ließ ich meinem Kummer freien Lauf. Ich legte meinen Kopf auf den Schreibtisch und schloß die Augen.
So fand mich Isabell, die ich seit unserer Hochzeit nur für ein paar flüchtige Minuten gesehen hatte.
»Bist du krank?« fragte sie in dem sachlichen Ton, den sie in der Redaktion mir gegenüber anzuschlagen pflegte.
Allerdings nur mir gegenüber, zu meinen Kollegen war sie sehr herzlich.
»Ja«, brummte ich.
»Dann geh zum Arzt!«
Ich fegte die Papiere vom Tisch: »Zum Arzt! Zum Arzt! Als ob mir ein Quacksalber helfen könnte!«
»Was fehlt dir überhaupt?«
»Ein Weihnachtsgeschenk für dich«, sagte ich offen.
»Und deshalb führst du dich so auf?« fragte sie amüsiert.
»Du weißt nicht, was ich durchmache«, klagte ich. »Es sind doch unsere ersten Weihnachten.«
»Dabei ist nichts leichter zu finden als ein Geschenk für eine Frau. Ich dachte, du hättest darin Erfahrung.«
»Die habe ich eben nicht, zumindest keine brauchbare.«
»Jede Frau braucht doch hunderterlei Kleinigkeiten.«
»Ich will keine Kleinigkeiten, ich will etwas Originelles. Ich will eine gute Figur machen.“
»Die wirst du auch machen.«
Ich sah sie argwöhnisch an.
»Ja doch«, sagte sie, »eben weil du jetzt keine machst.«
Das war mir zwar zu hoch, aber es tröstete mich etwas.
»Und du?« fragte ich, »hast du für mich schon alles beisammen?«
Sie zog die Augenbrauen hoch: »Wie kommst du darauf, daß du beschenkt wirst?«
»Das ist wohl unter gebildeten Menschen eine Selbstverständlichkeit.«
»Ach, sagst du nicht immer, ich sei ungebildet?«
Es stimmte. Ihre Eigenschaft, Richard Wagners »Ring der Nibelungen« Mozart zuzuschreiben oder Zypern in die Karibische See zu verlegen, hatte mich zu dieser Feststellung veranlaßt. Immerhin ertappte ich sie wenige Tage später bei dem Bemühen, das zwölfbändige Lexikon auswendig zu lernen.
»Ich habe natürlich die Herzensbildung gemeint«, erwiderte ich, »und darin hast du wohl einiges mitbekommen.«
»Sehr richtig! Ich kann dir auch versichern, daß du nicht ganz leer ausgehen wirst.«
»Du hast wirklich alles beisammen?«
»Alles!«
Die Glückliche! Wie sie das nur gemacht hatte.
Plötzlich rückte sie von mir ab: »Was starrst du mich so an?«
»Ich versuche mir vorzustellen, wie du ohne Kleider aussiehst.«
»Jetzt? Auf einmal!«
»Schon die ganze Zeit über«, gestand ich.
»Das ist ja furchtbar.«
Ich küßte sie auf den Halsausschnitt.
»Ich wußte gar nicht«, seufzte sie mit geschlossenen Augen, »daß ich einen Wüstling zum Mann habe.«
5
Vierundzwanzig Stunden vor dem Heiligen Abend, als nur noch mein Selbstmord einen ehrenvollen Ausweg zu bieten schien, war ich außer dem fatalen Cocktailkleid noch immer ohne Geschenk. Ich startete meinen letzten Versuch.
Ich griff nach dem Branchenverzeichnis, schloß die Augen und schlug wahllos eine Seite auf. Dann stieß ich mit dem Zeigefinger zu, fest entschlossen, in jenem Geschäft einzukaufen, auf das mein Zeigefinger vom Schicksal gelenkt worden war. Selbst wenn es ein Miedersalon sein sollte. Es kam nicht ganz so schlimm. Es war ein Spielwarengeschäft, wenn ich von dem Spezialgeschäft für Werkzeugmaschinen absah, das sich ebenfalls in bedrohlicher Nähe meiner Fingerspitze befand.
So wurde es ein kohlrabenschwarzer Stoffkater mit meergrünen Augen und einem schneeweißen Schnurrbart, da es ein fernlenkbares Auto oder eine elektrische Eisenbahn nicht sein konnte. Das Vieh trug ein gestärktes Leinenhemd und griff sich so angenehm an, daß es unbedingt die Erinnerung an mich wachhalten mußte. Ich bestimmte es zum Talisman unserer jungen Ehe. Der Gedanke faszinierte mich dermaßen, daß ich die Bezahlung vergaß und unter Drohungen von der Straße zurückgeholt werden mußte.
Von da ab hatte ich keine Schwierigkeiten mehr. Die Einfälle träufelten wie Manna vom Himmel. Ich erstand beim nächsten Juwelier einen kleinen goldenen Schlüssel, der sich wunderbar dafür zu eignen schien, als Symbol ihrer Gewalt über mein Herz an einer Halskette getragen zu werden. Das nächste war ein Reisewecker. Ebenfalls ein symbolisches Geschenk, würde uns doch der sonderbare Status unserer Ehe im kommenden Jahr dazu zwingen, viel unterwegs zu sein und am Morgen rechtzeitig wieder in die Stadt zurückzukehren. Das kleine Nähzeug, das ich bereits mit der Selbstsicherheit eines langjährigen Haushalts Vorstandes kaufte, war eine komfortable,
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