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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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fahrbare Werkstatt, die auch unter schwierigsten Bedingungen die Reparatur meiner Strümpfe, Hemden, Röcke und Hosen gestatten würde. Der einzige Mißerfolg war eine Bonbonniere, die zur Hälfte geleert war, ehe ich sie überhaupt nach Hause gebracht hatte.
    Daheim empfing mich die Frau Oberst im Flur. Der Flur war ihr Feldherrnhügel, von dem sie sowohl mein Zimmer wie auch das Treppenhaus und die Eingänge zu den Nachbarwohnungen unter Kontrolle halten konnte. Sie musterte voll Mißtrauen meine Pakete.
    »Hoffentlich haben Sie es sich nicht einfallen lassen, eines dieser Dinge mir zu widmen.“
    »Gewiß nicht«, stotterte ich, verblüfft darüber, daß sie mir einen solchen Gedanken überhaupt zutraute.
    »Sie wissen, daß ich seit dem Tod meines Mannes Geschenke grundsätzlich ablehne?«
    Ich wußte es nicht. Aber es kam meinen Intentionen entgegen.
    »Was haben Sie denn Schönes gekauft?« fragte sie, während sie mir in das Zimmer folgte.
    »Kleinigkeiten! Nur Kleinigkeiten«, erwiderte ich ausweichend.
    Ich dachte angestrengt nach, wie ich sie wieder loswerden könnte. Ich brannte darauf, meine Geschenke in Ruhe zu betrachten. Außerdem mußten sie noch verpackt werden, eine Arbeit, die gewiß Stunden in Anspruch nehmen würde. Ich war darin völlig unerfahren. Ein Glück, daß ich mich wenigstens mit einem Vorrat an Tannenzweigen, Goldbändern und Kärtchen eingedeckt hatte, der für die Geschenkaktion eines mittleren Betriebes gereicht hätte.
    »Gott, bin ich schläfrig«, gähnte ich. »Höchste Zeit, daß ich ins Bett komme.«
    Sie ließ sich ungerührt in meinen Fauteuil fallen.
    »Ja, ja, das Pflastertreten macht müde«, sagte sie.
    Ich hätte sie erwürgen können.
    »Für Ihre Bekanntschaften?« fragte sie plötzlich und stieß mit ihrem Zeigefinger nach den Schachteln, die ich sorgfältig auf meinem Bett ausgebreitet hatte.
    Nein, für den Kaiser von China, dachte ich. Laut sagte ich: »So ist es, liebe Frau Oberst!«
    Daraufhin trat eine längere Pause ein, während der ich unschlüssig im Zimmer auf und ab wanderte. Was wollte das alte Ekel von mir? Auf keinen Fall durfte ich mich niedersetzen, da sie das zweifellos als Ermunterung zum Bleiben aufgefaßt hätte.
    »Sie müssen heiraten«, brach sie das Schweigen in einem Ton, mit dem der Herr Oberst seinerzeit einen jungen Leutnant aufgefordert haben mochte, sich wegen unehrenhaften Verhaltens zu erschießen.
    »Heiraten?«
    Nun saß ich doch.
    »Jawohl! Ein Mann muß Pflichten haben!«
    »Aber liebe Frau Oberst —“
    »Schweigen Sie! Sie brauchen ein Heim! Sie brauchen eine Frau! Sie brauchen Kinder!«
    »Aber liebe Frau Oberst —«
    »Schweigen Sie. Ein Mann in Ihrem Alter, der ledig ist, taugt nichts.«
    »Aber liebe Frau Oberst —«
    »Schweigen Sie! Kennen Sie eine Dame, mit der Sie sich zur Ehe entschließen könnten?«
    »Aber liebe Frau Oberst —«
    »Schweigen Sie! Ja oder Nein?«
    Ich gehorchte. Ich schwieg.
    »Ich erwarte zu den Feiertagen den Besuch einer jungen Verwandten«, fuhr sie fort. »Ihr Vater hat unter meinem Mann gedient. Ein streng erzogenes Mädchen. Klosterschule. Sogar ein wenig vermögend. Sie sind am Christtag zum Kaffee eingeladen.«
    »Aber liebe Frau Oberst —«
    »Schweigen Sie! Sie werden kommen.«
    »Ich werde in den Bergen sein«, sagte ich leise.
    Sie wackelte mit dem Kopf und griff nach dem Lorgnon.
    »In den Bergen?«
    »Ja, ich habe Urlaub genommen, ich —«
    »Schweigen Sie! Sie werden verschieben.«
    »Ausgeschlossen! Ich habe bereits bestellt.«
    Sie sah mich scharf an: »Warum erfahre ich das erst heute? Sie wissen, daß ich für die Feiertage vorrichte.«
    »Ich habe darauf vergessen.«
    »Vergessen? Wie liederlich!«
    Nun war es an ihr zu schweigen.
    »Ich bin untröstlich«, sagte ich schadenfroh. »Ich bin —«
    »Schweigen Sie«, fuhr sie mich an. »Sie freuen sich. Sie freuen sich, weil Sie mir eins ausgewischt haben. Weil ich in Ihren Augen eine unausstehliche alte Frau bin.«
    »Aber liebe Frau Oberst —«
    »Schweigen Sie! Die Sache ist erledigt.«
    Sie erhob sich und marschierte hinaus. Die Schlacht war verloren.
    Trotzdem, ich freute mich meines Sieges nicht. Nicht mehr. Weil sie mir leid tat, seitdem ich gesiegt hatte. Und das war etwas Neues in unseren Beziehungen.
    Zwei Stunden später war auch ich am Ende. Vor mir lag ein
    Haufen unansehnlicher Päckchen, von denen die Enden der Einschlagpapiere höchst unzeitgemäß wie die Ohren eines Osterhasen abstanden. Die Goldbänder, den

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