Hochzeit auf Raten
wiederholten Knüpfaktionen nicht gewachsen, ringelten sich zu zerschlissenen Löckchen. Die Nadeln der Tannenzweige lagen auf dem Teppich.
Als die Uhr Mitternacht schlug, stand ich müde und mit hängender Krawatte inmitten der Trümmer meiner Hoffnungen. Ich hatte alles falsch gemacht. Und da fiel es mir ein: sie hatte sich eine neue Armbanduhr gewünscht, sie hatte von einer Krokodilledertasche geschwärmt, sie brauchte einen neuen Schlafrock, einen Schirm —
Aus!
Der 24. Dezember war ein trüber, naßkalter Tag. Kein Flöckchen Schnee lag auf den Straßen. Sie waren schon leer, als ich am Abend einsam und traurig nach Hause trottete. Aus den Fenstern der Häuser leuchteten die ersten Christbäume. Ich war allein wie in all den Jahren nicht zuvor, weil ich diesmal nicht hätte allein sein müssen.
Was hatte Isabell gesagt, als ich mich im Flur ihres Hauses, in dem es bereits nach Lebkuchen und Wachs roch, von ihr verabschiedete?
»Ich habe nicht gedacht, daß es so schwer sein würde.«
Dann haben wir eine lange Zeit überhaupt nichts gesprochen. Nur an den Knöpfen unserer Mäntel gedreht.
»Siehst du nun ein«, sagte ich endlich heiser, »daß dieses Probejahr eine Gemeinheit ist?«
»Wenn du mir schwörst, nie davon Gebrauch zu machen, will ich dir etwas gestehen«, sagte sie ebenso heiser.
Ich schwor es.
»Ich könnte mich für diese Idee ohrfeigen.«
»Soll das heißen, daß du es bereust?«
»Ja!«
»Und rückgängig machen willst?«
»Nein!«
»Dann verstehe ich dich nicht.«
»Ich bereue es in dieser Stunde«, flüsterte sie. »Ich werde es vielleicht noch ein anderesmal bereuen. Aber was sind diese Stunden gegen die vielen Wochen und Monate, in denen ich mich in der Hand habe?«
»Du bist eine kaltschnäuzige Mathematikerin.«
»Man muß rechnen, wenn man einen Mann halten will.« Dann gingen wir auseinander. Sie nach links, ich nach rechts. O du fröhliche, o du selige, o du gnadenbringende Weihnachtszeit.
Und dabei war das erst der Anfang.
6
Filippo schnurrte vergnügt wie ein Kater. Nichts deutete darauf hin, daß man ihn bereits mehrmals wegen Gefährdung der Verkehrssicherheit einziehen wollte.
Filippo war mein Wagen, vor einem Jahr um ein Weniges über dem Schrottpreis in der Annahme des Händlers gekauft, daß ich ihn dem Technischen Museum zum Geschenk machen wollte. Außer der Tatsache, daß er ein Auto war, hätte er nichts Anziehendes an sich. Trotzdem hing ich an ihm mit jener unbegreiflichen Liebe, mit der Männer oft an Dingen hängen, die sich auf rätselhafte Weise bewegen.
Ich wusch ihn nicht, ich polierte ihn nicht. Ich freute mich über jedes Stückchen Lack, das von ihm abfiel. Ich betrachtete ihn als fahrbaren Affront gegen eine Gesellschaftsordnung, die uns am blitzenden Chrom und an der Reinlichkeit messen möchte.
Filippo war eine Seele von Auto. Er ließ mich grundsätzlich nur dann im Stich, wenn der nächste Mechaniker mehrere Kilometer entfernt war. In der Werkstatt war dann alles wieder in Ordnung. Hätte ich nur im Umkreis von Werkstätten zu tun gehabt, wäre an ihm nichts auszusetzen gewesen.
Ich wollte meiner Liebe zu Filippo gerade Ausdruck verleihen, als Isabell mir ihren Zeigefinger in die Hüfte bohrte.
»Riechst du nichts?«
Nein, ich roch nichts. Ich verfolgte nur vergnügt das Asphaltband der Straße, das unablässig unter uns durchrollte.
»Es riecht aber«, beharrte sie.
»Vielleicht ist es die Heizung. Soll ich sie abstellen?«
»Ach, du hattest sie eingeschaltet?«
Diese Schmähung Filippos traf mich. Wenn ihn jemand schmähen durfte, dann war das ich ganz allein. Ich, der ihn
liebte. Nun würde ich schon aus Protest nichts riechen, selbst wenn ein Korb fauler Eier unter den Sitzen liegen sollte.
Das Schicksal wollte es anders. Ein kurzes Zischen, ein leiser Knall und Stille, tödliche Stille in der Gegend des Motors entschieden gegen mich. Es roch einwandfrei nach verbranntem Gummi.
»Riechst du es jetzt?«
Ich kroch wortlos aus dem Wagen und hob die Motorhaube. Fasziniert betrachtete ich die verwirrende Vielfalt der Schläuche, Rohre und Gehäuse. Isabell kletterte ebenfalls ins Freie und gesellte sich wißbegierig an meine Seite.
»Nun?«
»Das hier«, murmelte ich, »ist der Vergaser. Hier siehst du den Motorblock, hier die Zündkerzen und hier den Luftfilter.«
»Und wo sehe ich, was kaputt ist?«
»Das sieht man nicht«, sagte ich überlegen. »Das muß man suchen.«
Zu diesem Zweck kroch ich unter den
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