Hochzeit zu verschenken
»Also. Ich habe in letzter Zeit ziemlich viel über uns nachgedacht, Luke. Darüber, wie es sein wird, wenn wir verheiratet sind, und darüber, wo wir leben sollen. Ob wir in New York bleiben sollen oder nicht. Was wir überhaupt so machen wollen...« Ich halte inne und wähle meine Worte mit Bedacht. »Und da ist mir eine Sache klar geworden... Nämlich, dass ich noch nicht so weit bin, sesshaft zu werden. Tom und Lucy haben zu früh versucht, sesshaft zu werden, und was daraus geworden ist, wissen wir ja. Außerdem... also, ich finde den kleinen Ernie wirklich total klasse, aber als ich damals mitbekommen habe, wie es Suze in der ersten Zeit erging... Da ist mir klar geworden, dass ich auch noch nicht bereit bin für ein Baby. Wie gesagt, noch nicht.« Ängstlich sehe ich zu Luke auf. »Es gibt so viele Sachen, die ich noch nicht gemacht habe, Luke. Ich bin noch nie richtig gereist. Ich habe noch gar nichts von der Welt gesehen. Und du auch nicht.«
»Du lebst in New York«, stellt Luke fest.
»New York ist eine tolle Stadt, und ich liebe sie. Aber es gibt auch noch andere tolle Städte auf der Welt. Die will ich auch sehen. Sydney. Hongkong... und nicht nur Städte!« Ich breite die Arme aus. »Flüsse... Berge... alles, was die Welt so zu bieten hat...«
»Aha«, sagt Luke leicht amüsiert. »Und wenn wir das jetzt alles in unsere Flitterwochen packen...«
»Ja.« Ich schlucke. »Also Folgendes: Ich habe sämtliche New Yorker Hochzeitsgeschenke umgetauscht. Gegen Geld. Die ganzen blöden silbernen Kerzenständer, Teekannen und so weiter. Und von dem Geld habe ich dann... zwei Erste-Klasse-Tickets um die Welt gekauft.«
»Um die Welt?« Damit hatte Luke nicht gerechnet, das sehe ich ihm an. »Im Ernst?«
»Ja! Wir machen eine Weltreise!« Ich verknote meine Finger. »Wir können uns so viel Zeit lassen, wie wir wollen. Von drei Wochen bis zu...« Ich sehe ihn hoffnungsvoll an. »Einem Jahr.«
»Ein Jahr?« Luke glotzt mich an. »Das ist doch ein Scherz.«
»Das ist kein Scherz. Ich habe Christina gesagt, dass ich nicht weiß, ob ich wieder bei Barneys arbeiten werde. Sie hat damit kein Problem. Danny sorgt dafür, dass unsere Wohnung geräumt und alles gelagert wird -«
»Becky!« Luke schüttelt den Kopf. »Das ist ja eine nette Idee. Aber ich kann unmöglich einfach alles stehen und liegen lassen und -«
»Doch, kannst du. Du kannst! Ist alles schon geregelt. Michael wird sich um das Büro in New York kümmern. Das Londoner Büro läuft sowieso schon von selbst. Luke, du kannst. Und alle finden, dass du es tun solltest.«
»Alle?«
Ich zähle sie ihm anhand meiner Finger auf:
»Deine Eltern... meine Eltern... Michael... Laurel... mein ehemaliger Fahrlehrer Clive...«
Luke starrt mich an.
»Dein ehemaliger Fahrlehrer Clive?«
»Na gut«, sage ich schnell, »der zählt vielleicht nicht. Aber alle anderen, auf deren Meinung du etwas hältst. Sie alle meinen, dass du mal eine Pause brauchst. Du hast jetzt so lange so hart gearbeitet...« Ich lehne mich nach vorn und sehe ihn ernst an. »Luke, das hier ist die ideale Gelegenheit. Jetzt sind wir noch jung. Wir haben noch keine Kinder. Stell es dir doch nur mal vor: wir beiden, wie wir durch die Welt wandern. Uns alles Mögliche ansehen. Von anderen Kulturen lernen.«
Luke schweigt. Er sieht mit gerunzelter Stirn zu Boden.
»Du hast mit Michael gesprochen«, sagt er schließlich. »Und er wäre wirklich bereit-«
»Mehr als bereit. Er langweilt sich in New York zu Tode, wenn er nichts anderes zu tun hat als Power-Walking! Luke, Michael hat sogar gesagt, selbst wenn du nicht reisen willst: Du brauchst mal eine längere Pause. Du musst mal wieder durchatmen. Du brauchst Urlaub.«
»Ein Jahr«, sagt Luke und reibt sich die Stirn. »Das ist ein bisschen mehr als ein Urlaub.«
»Es muss ja kein ganzes Jahr sein. Aber es kann auch mehr werden... Das können wir uns unterwegs überlegen. Wir können endlich mal tun und lassen, was wir wollen. Keine Verpflichtungen, keine Termine, nichts, das uns irgendwie einschränken würde -«
»Becky, Liebes«, ruft Dad vom Auto zu mir herüber. »Bist du dir sicher, dass du sechs Koffer mitnehmen darfst?«
»Schon okay, wir bezahlen für das Übergepäck -« Ich wende mich wieder Luke zu. »Komm schon. Was sagst du?«
Luke sagt erst mal gar nichts - und mir sinkt schon das Herz. Ich befürchte das Schlimmste - dass er nämlich auf einmal wieder der alte Luke ist. Der alte, egoistische, nur an seine Firma denkende
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