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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Brodersen
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Sphären von Geist und (nicht ganz geistloser) Macht, suchte einen Anhaltspunkt in der
     physischen Welt. Er fand sich in Gestalt eines Städtchens im Nordwesten Kleinasiens, bekannt als Ilion und inmitten der „Troas“
     genannten Ebene gelegen. Man hatte dort keine Zweifel, Troia zu sein. Der örtliche Athenatempel auf dem Burgberg, unter dem
     sich die Stadt ausdehnte, zeigte ein uraltes Standbild der Göttin, das man den Tagen des Priamos zuschrieb, und war von riesigen
     Mauerresten umgeben. Die Stadt war formal unabhängig, beugte sich der Herrschaft mächtiger Nachbarn beizeiten, lebte von Ackerbau
     und Viehzucht und hatte jahrelang wenig von ihrer berühmten Vergangenheit. Dann beging man den Fehler, sich gegen das Perserreich
     zu erheben, und bezahlte ihn teuer. 480 v. Chr. opferte König Xerxes auf seiner Strafexpedition nach Griechenland der Athena
     von Ilion tausend Rinder; der frisch bestrafte, teils wohl zerstörte Ort lieferte einen zusätzlichen Kriegsgrund, weil ihn
     „die Griechen“ eben auch einmal niedergebrannt hatten. Nun brannte Athen, Xerxes verlor trotzdem, das „gerächte“ Ilion aber
     blieb über hundert Jahre lang verarmt – und die meiste Zeit persisch; Autoren wie Herodot machten sich ihre Gedanken über
     Troias Rolle im scheinbar uralten Konflikt von „Griechen und Barbaren“, aber am Leben des verschlafenen Städtchens ging alles
     vorbei.
    334 v. Chr. bewegte sich etwas. Ein Held besuchte die Reste der Heroenzeit. Auf dem Weg, Rache für die persische Rache zu
     nehmen, versprach Alexander, König der Makedonen und Feldherr Griechenlands, |12| Ilion wunderbar zu verwandeln. Alexander zog großen Taten entgegen, und nie kehrte er wieder. Doch sein eigener Mythos trieb
     seine Erben, eigenen Glanz aus ihm zu gewinnen. 301 v. Chr. gewann Lysimachos, Herrscher von Thrakien, die Troas für sich,
     und nun wurden die Ankündigungen wahr.
    Heilig war die Vergangenheit Troias, nicht deren Bausubstanz. Ein kapitaler Tempel entstand auf der Osthälfte des Berges,
     dessen Planierung jede denkbare Spur der Stelle, wo Priamos’ Palast gestanden haben mochte, hoffnungslos vertilgte. Ringsum
     brach man die Burgmauern, die die Sage für das Werk Apollons und Poseidons hielt, teilweise ab. Einige Stücke allerdings wurden
     sorgsam in Szene gesetzt: Ilion hatte viel Sinn für Geschichte. Die Stadt selbst wurde neu angelegt und konnte sich nun beinahe
     mittelgroß nennen; man war bereit für ein Goldenes Zeitalter.
    Es kam in Gestalt zahlreicher Touristen, die sich vom Auf und Ab der hellenistischen Zeit nicht abhalten ließen. Ilion gehörte
     zum Seleukidenreich, dann zu Pergamon, war dazwischen einmal sozusagen unabhängig, aber für die Reiseführer machte das wenig
     Unterschied. Seit 133 v. Chr. hieß die Obrigkeit Rom, und das erwies sich als angenehm, begegneten die neuen Herren doch ihrer
     offziell anerkannten Urheimat mit Wohlwollen. Ein bitterer Rückschlag traf Ilion, als die Römer in der Troas gleichzeitig
     Krieg und Bürgerkrieg führten; die Stadt verweigerte dem Feldherrn Fimbria den Einlass, wurde 85 v. Chr. erobert und geplündert.
     Die Nachricht, dass es einstweilen die letzte größere Heimsuchung bleiben sollte, hätte die Einwohner kaum getröstet.
    Gleichwohl erwies sich das Unglück als profitabel. Fimbria zählte zu den Bürgerkriegsverlierern; der Sieger Sulla beschenkte
     Ilion mit dem Status als freie Stadt, und durch das Tourismusgeschäft überlebte man sogar die ruinösen Kriegssteuern. Gekämpft
     wurde hier dank glücklicher Zufälle nicht mehr. 48 v. Chr. erhielt Ilion kurz Besuch von Caesar, der seiner Familiengeschichte
     nachging – die Iulii führten sich auf I(u)lus , den Sohn des Aeneas, der wiederum von Venus selbst abstammte, zurück, waren also blaublütige Troianer göttlicher Herkunft
     – und auf den Spuren Alexanders wandelte. Roms böse Zungen sagten dem Diktator nach, er habe nach Ilion umziehen wollen. Wenn
     das stimmt, hatte Caesar gute Gründe: Seewege und wichtige Straßen kreuzten sich hier an der Meerenge, die den reichsten Provinzen
     nahe |13| lag. Noch als der endgültige Sieger der Machtkämpfe sich anschickte, Augustus zu werden und seine Herrschaft auf die Grundlage
     des Aeneasmythos zu stellen, hielt Vergil es für angezeigt, in der
Aeneis
deutlich hervorzuheben, Troias Rolle sei ausgespielt und eine Rückkehr zum Ursprungsort nicht gottgewollt.
    Ilion bekam keine historische Mission, wohl aber sein Neubauprogramm.

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