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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Lächeln kann schließlich nicht schaden. Beispielsweise hatte ich nichts, worauf ich meinen Kopf betten konnte, und ein Anfall von Sodbrennen (sie nennen ihre Fritten »französisch«, grand Dieu!) kam zu meinem Unbehagen noch hinzu.
    Es schlief wieder fest, mein Nymphchen, und doch wagte ich nicht, mich auf meine verzauberte Reise zu begeben. La Petite Dormeuse ou l’Amant Ridicule. Morgen würde ich sie mit jenen früheren Pillen vollstopfen, die ihre Mami so gründlich betäubt hatten. Im Handschuhfach - oder in der zweiteiligen Reisetasche? Sollte ich eine gute Stunde warten und dann wieder herankriechen? Nympholepsie ist eine exakte Wissenschaft. Die direkte Berührung würde es in knapp einer Sekunde schaffen. Ein Zwischenraum von einem Millimeter in zehn. Warten wir ab.
    Nichts ist lauter als ein amerikanisches Hotel; und dabei, bitte schön, sollte dieses hier eine besonders ruhige, behagliche, altmodische, gemütliche Herberge sein - »stilvolles Wohnen« etcetera. Das Gerassel des Fahrstuhlgitters - knappe zwanzig Meter nordöstlich von meinem Kopf, aber so deutlich vernommen, als wäre es in meiner linken Schläfe - wechselte mit dem Bummern und Rattern der verschiedenen Manöver dieser Maschine und hielt bis lange nach Mitternacht an. Direkt im Osten meines linken Ohrs (ich lag ja auf dem Rücken und wagte nicht, meine gemeinere Seite dem undeutlich sichtbaren Gesäß meiner Bettgenossin zuzuwenden) war der Korridor randvoll von fröhlichen, schallenden, albernen Rufen, die mit einem Hagel von Gute-Nacht-Wünschen endeten. Als das endlich aufhörte, meldete sich nördlich von meinem Kleinhirn eine Toilette; es war eine männliche, energische, rauhkehlige Toilette, und sie wurde oft benutzt. Ihr Gegurgel und Geräusche und der langanhaltende Nachfluß ließen die Wand hinter mir erzittern. Dann war jemandem in südlicher Richtung speiübel, er würgte mit dem Alkohol fast seine ganze Seele aus, und sein Wasserschwall kam dicht hinter unserm Badezimmer wie ein regelrechter Niagara heruntergestürzt. Und als die Verzauberten Jäger endlichen in tiefem Schlaf lagen, artete der Boulevard unter dem Fenster meiner Schlaflosigkeit, westlich meiner Rückseite - ein gesetzter, ganz und gar dem Wohnen vorbehaltener, würdevoller Boulevard mit riesigen Bäumen - zum verächtlichen Tummelplatz riesiger Lastwagen aus, die durch die nasse und windige Nacht röhrten.
    Und knapp fünfzehn Zentimeter von mir und meinem brennenden Leben befand sich, nebelhaft, Lolita! Nach einer langen, regungslosen Wache bewegten sich meine Tentakel wieder auf sie zu, und diesmal weckte das Knarren der Matratze sie nicht. Es gelang mir, ihr mein gieriges Fleisch so nahe zu bringen, daß ich die Aura ihrer nackten Schulter wie einen warmen Atem an meiner Wange spürte. Und dann setzte sie sich auf, rang nach Luft, murmelte mit irrsinniger Geschwindigkeit etwas von Booten, zerrte an den Laken und fiel in ihre blühende, dunkle, junge Unbewußtheit zurück. Als sie sich in diesem überquellenden Schlafstrom hin und her warf, schlug ihr Arm - eben noch kastanienbraun, jetzt mondblaß - über mein Gesicht. Einen Augenblick lang hielt ich sie. Sie befreite sich aus meiner kaum merklichen Umarmung - unbewußt, ohne Heftigkeit, ohne persönlichen Widerwillen, sondern mit dem neutralen, klagenden Gemurmel eines Kindes, das seine legitime Ruhe will. Und wieder war die Lage die gleiche: Lolita, ihr gekrümmtes Rückgrat Humbert zugewandt, Humbert, den Kopf auf die Hand gestützt, brennend vor Verlangen und Magensäure.
    Letztere erforderte einen Gang ins Badezimmer, um dort einige Schluck Wasser zu trinken, in meinem Fall das beste mir bekannte Mittel, außer vielleicht Milch mit Radieschen; und als ich den seltsamen, strahlengegitterten Kerker wieder betrat, wo Lolitas alte und neue Kleidungsstücke in verschiedenen Posen der Verzauberung über den Möbeln hingen, die vage zu schweben schienen, setzte sich meine unmögliche Tochter auf und verlangte mit klarer Stimme ebenfalls etwas zu trinken. Sie nahm den nachgiebigen, kalten Pappbecher in ihre schattenhafte Hand und goß seinen Inhalt dankbar hinunter, die langen Wimpern becherwärts geneigt; und mit einer kindlichen Bewegung, die reizender war als jede sinnliche Liebkosung, wischte die kleine Lolita ihre Lippen an meiner Schulter ab. Sie fiel auf ihr Kissen zurück (ich hatte ihr meines weggezogen, während sie trank) und schlief sofort wieder ein.
    Ich hatte nicht gewagt, ihr eine zweite

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