Höllenengel
Menschen
angehörte, die das sogenannte Asperger-Syndrom haben, was mit
dem Autismus verwandt sei.
Es gäbe keine allgemeingültige Regel, wie man dieses
Syndrom medikamentös behandele. Manche AspergerPatienten
nähmen verschiedene Antidepressiva. Für andere sei es
auch nützlich, Amphetamine in passender Dosierung zu sich zu
nehmen.
Frau Nuul, die niemals andere Medikamente als Aspirin gegen
Kopfschmerzen und Antibiotika, die sie vom Arzt verschrieben bekam,
genommen hatte, empfand den Hinweis auf das Amphetamin als Zeichen.
Ohne von ihrer Krankheit mit dem schönen Namen AspergerSyndrom
zu wissen, hatte sie, wenn auch in Kooperation mit anderen, ein
ganzes Labor errichtet, das ein Medikament gegen diese Krankheit
herstellte. Zufall? Nein.
Wissenschaftlich betrachtet war die Wahrscheinlichkeit, dass
jemand, der nicht weiß, dass er an einer bestimmten Krankheit
leidet, sich der Herstellung einer Medizin widmet, die diese
Krankheit heilt, so unvorstellbar klein, dass sie zu
vernachlässigen war. Es war ein Zeichen und kein Zufall .
Sie merkte, wie gut ihr das Amphetamin tat, als sie begann, es
regelmäßig zu nehmen. Vieles, was ihr früher
schleierhaft war, wurde in ihrem Kopf nun kristallklar.
Hahaha!
Laut lachend wandte sie sich vom Grab ab und ging zum
Auto.
Andrus saß am Steuer und Frau Nuul setzte sich auf den
Rücksitz. Ihr fiel sofort auf, dass sie nur zu zweit waren.
Vorhin waren sie zu dritt gewesen.
»Wir sind zu zweit«, sagte sie.
»Ja«, sagte Andrus.
»Und der Junge, dein Neffe, der vorhin bei uns
war?«
»Ach, der«, sagte Andrus und fuhr los. »Er hat
Nasenbluten bekommen, sodass ich ihn im Kofferraum untergebracht
habe. Es ist so eklig, wenn Blut auf die Sitze
kleckert.«
Neun
Vampír hatte die Schnauze voll von der Untätigkeit.
Jeder dahergelaufene Hund kann die Schritte eines Menschen und
eines Rehs spielend unterscheiden.
Beim ersten Schritt winselte er. Beim nächsten heulte er laut.
Sprang dann mit Bellen und Knurren auf. Dann warf Baldur ihm die
Biographie des Höllenengels Sonny Barger an den Kopf und
befahl ihm, still zu sein. Das Buch hatte keinen festen Einband und
fügte ihm daher keine Schmerzen zu, aber Vampír
verstand, dass Baldur entschlossen war, alle Warnungen zu
ignorieren. Er beschloss deswegen, einen Trick anzuwenden, um
seinem Herrn die Augen zu öffnen. Er ging zur Tür, die
nach draußen führte, kratzte mit der Vorderpfote daran
und winselte dabei leise und höflich.
»Immer diese Scheißrennerei«, murrte Baldur und
öffnete dem Hund die Tür. Freilich war es ihm selbst
mittlerweile ein Bedürfnis geworden, zu urinieren.
Vampír war der Auffassung, dass er keine Zeit verlieren
dürfe, und sprintete sofort los. Er bog mit so hoher
Geschwindigkeit um die Hausecke, dass er auf dem Schotter rutschte
und schlidderte. Er entdeckte seine Beute, die vom Waldrand kommend
langsam über das Gras in Richtung des Hauses lief,
sofort.
Vampír hatte keineswegs vor, dem Mann auf kürzestem Weg
in die Arme zu laufen. Dieser Schwarzkopf konnte sehr wohl
bewaffnet sein und Vampír fand, es schadete nicht, einen
winzigen Umweg zu machen.
Um seinen Weg zu verkürzen und Zickzack soweit es ging zu
vermeiden, nahm Nordpol seinen Blick nicht vom Fenster an der
Rückseite des Hauses. Trotz seines Rucksacks lief er mit
leichten und federnden Schritten und dachte darüber nach, wie
er seine Rechnung mit dem Idioten begleichen würde, der
ununterbrochen Befehle erteilte und glaubte, er wäre eine Art
Partisanenführer. Und doch war es mit seinen
Führungsqualitäten nicht weit her, denn schließlich
schien Karl nicht einmal bemerkt zu haben, dass Nordpol die
schweren Armeestiefel in den Rucksack gesteckt hatte und wieder
seine Turnschuhe trug. Vampír erhöhte sein Tempo, bevor
er zu einem Sprung ansetzte, Nordpol in den Rücken fiel und
umwarf. Nordpol, der nichts davon hatte kommen sehen, stürzte
schwer und landete auf Kopf und Schulter. Ohne Skimütze
hätte er wohl schwere Schrammen im Gesicht davongetragen, aber
das Kleidungsstück schützte seinen Kopf. Allerdings
drehte sich die Mütze beim Schleifen über den Boden,
wodurch der Schlitz für die Augen sich in den Nacken verschob,
sodass Nordpol nicht sofort begriff, was geschehen war. Eins war
jedoch sicher. Er war angegriffen worden und die Skimütze nahm
ihm die Sicht.
Er versuchte, die Mütze so zu drehen, dass er seinen Angreifer
sehen konnte, und tastete mit der rechten Hand nach dem
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