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Höllenengel

Höllenengel

Titel: Höllenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thrainn Bertelsson
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den Geruch, der ihn um den
Verstand brachte, als sie am Vorabend zum Sommerhäuschen
gegangen waren, nicht wahrgenommen, denn sie schauten ja im
Anschluss einen Film über einen Kannibalen, anstatt dem
Blutgeruch nachzugehen. Das hätte Glámur getan, wenn er
nicht nach der Fahrt von Sodbrennen und Übelkeit geplagt
gewesen wäre.
             
    Glámur stand auf, gähnte und reckte sich. Atmete dann
tief ein und spürte, wie der Geruchssinn prompt ein oder zwei
interessante Moleküle aus der Atmosphäre auffing, die er
unverzüglich als Blut identifizierte. Die Unpässlichkeit
von gestern Abend war wie weggeblasen.
    Glámur war kerngesund. Nichts konnte ihn
aufhalten.
    Am besten gleich rauslaufen und die Sache untersuchen.
    Der Kater Glámur war nicht nur von Natur aus
blutrünstig, sondern auch ausgesprochen neugierig.
    *****
    Schon zwei Jahre bevor ein irrer Konditormeister und Brandstifter
mir nichts, dir nichts den Verlag Altúnga anzündete,
hatte Hervar Guðmannsson beschlossen, es sei an der Zeit,
innezuhalten und sein Leben zu überdenken.
    Das Verlegen von Büchern hat ebenso wie andere
Geschäftsfelder in Reykjavík den Effekt, dass je mehr
man arbeitet, umso weniger Zeit bleibt, nachzudenken. Als
Lösung dafür gedachte Hervar ein Sommerhäuschen in
geeigneter Entfernung zur Hauptstadt zu kaufen, um dort gemeinsam
mit seiner Ehefrau Ásdís und dem Kater Glámur,
die er beide über alles auf dieser Welt liebte, seine
Wochenenden und seine Freizeit damit zu verbringen, den Stand und
die Zukunft des Menschengeschlechts im Allgemeinen und seinen
Wohlstand und die Aussichten des Verlags Altúnga im
Speziellen zu überdenken.
    In der Feuersbrunst bei Altúnga waren dann in kurzer Zeit
große Vorräte von unverkauften und
größtenteils unverkäuflichen Büchern in
Flammen aufgegangen, und sorgfältige Rechtsanwälte hatten
Hervars Versicherung davon überzeugt, den Schaden zu ersetzen,
sodass der Betrieb im letzten Jahr wirtschaftlich betrachtet ein
ausgezeichnetes Ergebnis erzielen konnte. Hervar war als Kaufmann
Realist und sich vollkommen bewusst, dass er nicht jedes Jahr mit
einem solchen Glücksfall rechnen konnte. Wenngleich
diejenigen, die sich für ein Leben ohne Bücher
entschieden, langsam, aber stetig mehr wurden, war das Zeitalter
von >Fahrenheit 451< noch nicht eingetreten, und mit Geschick
gelang es, immer mal wieder ein paar Wälzer zu drucken und zu
verkaufen.
    Hervar beschloss, einen Ruhepol für Geist und Körper
außerhalb der Stadtgrenzen zu finden, an dem keine Gefahr der
Belästigung durch geldgeile und krankhaft ehrgeizige
Schriftsteller, nervenkranke Dichterinnen oder gealterte
Querulanten bestand, und der vor allem bezahlbar war. Das einzige
Ferienhausgebiet in Island, bei dem man ziemlich sicher sein kann,
dass sich dort keine Schriftsteller aufhalten, ist in
Þingvellir. Dort sind die Sommerhäuser weit teurer als
andernorts und zum Großteil im Besitz alter vermögender
Familien oder Neureicher, die keine anderen Bücher brauchen
als ihre Sparbücher. Das passte Hervar gut. Ein Makler wies
ihn auf ein neugebautes Ferienhaus im Gebiet von Grafningur am
westlichen Ufer des Sees Þingvallavatn hin, das zu einem
guten Preis erhältlich war, da der Bauherr seine Meinung
geändert und eine Tausend-Hektar-Farm für sich und seine
Familie gekauft hatte, weil die älteste Tochter mit ihrer
Freundin zusammen einen Reitkurs gemacht hatte und jetzt
pferdeverrückt war und sich ein Pferd zur Konfirmation
wünschte.
    Das Ferienhaus war ein einstöckiges Holzhaus auf einem
Betonfundament und sechsundachtzig Quadratmeter groß, was
Hervars Bedürfnissen genau entsprach.
    Er sorgte dafür, dass sich herumsprach, die Hütte sei zu
klein, um darin Gäste zu empfangen, um Gerüchte zu
zerstreuen, die neiderfüllte Autoren von Altúnga in die
Welt gesetzt hatten, es handele sich bei der Hütte um eine
vierhundert Quadratmeter umfassende Villa mit Schwimmbad im Haus,
einer Sauna, Whirlpools und einem Heimkinosaal.
    Auf einer kleinen Halbinsel, die in den See Þingvallavatn
hineinragte und mit Heidekraut und Birkengestrüpp bewachsen
war, standen drei Ferienhäuser. Zwei Neubauten, und zwar das
Sommerhaus von Hervar und das eines jungen Finanzgenies, der zwei
Grundstücke auf der Halbinsel zusammengelegt und dort eine
Villa erbaut hatte, von der die boshaften Autoren, die Hervars Ruf
beschädigen wollten, Fotos ins Internet stellten, um damit zu
illustrieren, wie Verleger die armen Poeten

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