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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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steckte sie alle ein, die Packung ließ sie zurück. Dann schloss sie die Schublade des Schreibtisches wieder und verließ das Büro. Gewissenhaft schloss sie die Tür zu Dr. Marcus' Büro wieder ab und deponierte den Schlüssel erneut auf dem Aktenschrank. Dann schlich sie durch das finstere Vorzimmer zurück zur Tür. Sie lauschte einen Augenblick an der Tür um sicherzugehen, dass niemand auf dem Flur vorbeiging, während sie die Tür öffnen wollte. Dann verließ sie das Zimmer und huschte durch die dunklen Gänge des Sanatoriums zurück zu ihrem Zimmer.
    Unbemerkt gelangte sie zurück und schloss die Tür hinter sich. Sie setzte sich aufs Bett und dachte einen Augenblick lang nach. Zunächst musste sie ein Versteck für das Tetradyxol finden. Sie sah sich eine Weile in ihrem Raum um. Es schien das erste Mal seit ihrem Eintreffen in Stratton Hall zu sein, dass sie ihr Zimmer wirklich ansah und wahrnahm. Viel gab es hier nicht. An der rechten Wand stand das Bett, ein einfaches Kiefernholzbett mit weißer Bettwäsche bezogen. Auf der linken Seite des Zimmers stand ein kleiner runder Tisch mit zwei Stühlen. Hinter dem Bett zum Fenster hin stand ein kleiner Schrank, ebenfalls aus Kiefernholz, in dem sich die wenigen Habseligkeiten befanden, die Eleanor von zu Hause mitgebracht hatte: vornehmlich Kleidungsstücke. Am Tage ihrer Abreise war sie viel zu apathisch gewesen, um sich Bücher oder andere Dinge zur Unterhaltung einzupacken.
    Eleanor blickte auf die Tabletten in ihrer Hand. Dann entschied sie sich dafür, sieben von ihnen an der Unterseite eines der Stühle zu befestigen. Es war unwahrscheinlich, dass sie dort entdeckt würden. Sie befeuchtete die Tabletten einzeln mit der Zunge und drückte sie dann von unten gegen die Sitzfläche des Stuhles. Die Tabletten hielten. Würde der Stuhl nicht umgedreht oder allzu stark erschüttert, wären die Tabletten dort vorerst sicher.
    Eleanor setzte sich auf die Kante ihres Bettes und betrachtete die achte Tablette, die sie zurückbehalten hatte. Ohne weiter nachzudenken schluckte sie die Tablette hinunter und legte sich zurück auf ihr Bett. Sie deckte sich zu und war wenige Augenblicke später eingeschlafen.
     
    Eleanor träumte. Sie stand am Fuße einer riesigen Freitreppe. Die Treppe führte zu einem gigantischen Tor empor, welches geschlossen war. Eleanor blickte sich um und ein Gefühl der Glückseligkeit durchströmte sie. Hinter ihr befand sich die tote Ebene, die sie aus ihren ersten zwei Träumen kannte und über ihr wölbte sich der Nachthimmel so finster und doch hell von Abermillionen Sternen erleuchtet. Ein jeder von ihnen so unerreichbar fern und doch so lebendig durch das Funkeln und Schimmern. Vor ihr ragte der graue Palast himmelhoch empor, seine Zinnen, Türme und Dächer verloren sich in der Höhe der Atmosphäre.
    Hier war Eleanor richtig, hier gehörte sie hin. Sie stürmte die Freitreppe empor und stieß das Tor auf. Die Torflügel drehten sich geräuschlos in den Angeln und schwangen auf. Vor ihr lag das Innere des leeren Palastes und sie betrat den Ort, an dem sie Nummer Sieben wusste.
    Ungeduldig lief sie durch die einsamen Räume, die langen Korridore und finsteren Kammern. Hohe Säle lösten sich mit schmalen, säulenumstandenen Gängen ab. Kleine Kabinette folgten riesigen Ballsälen. Eleanor fiel auf, dass das Innere des Palastes über die Maßen schön gewesen wäre, wenn nicht das gesamte gigantische Bauwerk völlig leer gewesen wäre. Nirgends waren Möbel, Teppiche oder andere Einrichtungsgegenstände zu sehen. Der Palast wirkte trotz all seiner architektonischen Pracht, als habe der Baumeister nach seiner Fertigstellung beschlossen, doch nicht einzuziehen. Und dennoch nahm Eleanor dieses Mal viele Dinge war, die sie bei ihrem ersten Besuch in diesem Palast nicht bemerkt hatte.
    Die Gänge und Räume des Palastes mochten leer sein, doch überall fand sich Schmuck und Zierrat am Bauwerk selbst. Die Säulen der mächtigen Tonnengewölbe waren kunstvoll kanneliert, ihre Kapitelle Meisterwerke der Steinmetzkunst. Es gab keine Farben im Palast, alles schien grau in grau zu sein. Doch der Formenreichtum der Architektur hauchte dem leeren Gebäude ein wenig Leben ein. Er war nicht protzig oder überladen, er war schlicht und einfach und dennoch auffallend und bestimmend. Pflanzen und Tiermotive schmückten die Türleibungen und Berge und Seen die geschnitzten Türflügel. Viele der Tiere und Pflanzen erkannte Eleanor auf den ersten Blick.

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