Der Riesenmaulwurf
Franz Kafka
Der Riesenmaulwurf
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lit era scripta manet
iejenigen, ich gehöre zu ihnen, die schon einen klei-
Dnen gewöhnlichen Maulwurf widerlich finden, wären
wahrscheinlich vom Widerwillen getötet worden, wenn sie den
Riesenmaulwurf gesehen hätten, der vor einigen Jahren in der
Nähe eines kleinen Dorfes beobachtet worden ist, das dadurch
eine gewisse vorübergehende Berühmtheit erlangt hat. Jetzt ist
es allerdings schon längst wieder in Vergessenheit geraten und
teilt damit nur die Ruhmlosigkeit der ganzen Erscheinung, die
vollständig unerklärt geblieben ist, die man aber zu erklären sich
auch nicht sehr bemüht hat und die infolge einer unbegreiflichen
Nachlässigkeit jener Kreise, die sich darum hätten kümmern sol-
len und die sich tatsächlich angestrengt um viel geringfügigere
Dinge kümmern, ohne genauere Untersuchung vergessen worden
ist. Darin, daß das Dorf weit von der Eisenbahn abliegt, kann
jedenfalls keine Entschuldigung dafür gefunden werden. Viele
Leute kamen aus Neugierde von weither, sogar aus dem Ausland,
nur diejenigen, die mehr als Neugierde hätten zeigen sollen, die
kamen nicht. Ja, hätten nicht einzelne ganz einfache Leute, Leute,
deren gewöhnliche Tagesarbeit ihnen kaum ein ruhiges Aufatmen
gestattete, hätten nicht diese Leute uneigennützig sich der Sache
angenommen, das Gerücht von der Erscheinung wäre wahrschein-
lich kaum über den nächsten Umkreis hinausgekommen. Es muß
zugegeben werden, daß selbst das Gerücht, das sich doch sonst
kaum aufhalten läßt, in diesem Falle geradezu schwerfällig war;
hätte man es nicht förmlich gestoßen, es hätte sich nicht verbreitet.
Aber auch das war gewiß kein Grund, sich mit der Sache nicht zu
beschäftigen, im Gegenteil, auch diese Erscheinung hätte noch
untersucht werden müssen. Statt dessen überließ man die einzi-
ge schriftliche Behandlung des Falles dem alten Dorflehrer, der
zwar ein ausgezeichneter Mann in seinem Berufe war, aber dessen
Fähigkeiten ebensowenig wie seine Vorbildung es ihm ermöglich-
ten, eine gründliche und weiterhin verwertbare Beschreibung, ge-
schweige denn eine Erklärung zu liefern. Die kleine Schrift wurde
gedruckt und an die damaligen Besucher des Dorfes viel verkauft,
sie fand auch einige Anerkennung, aber der Lehrer war klug genug
einzusehen, daß seine vereinzelten, von niemandem unterstützten
Bemühungen im Grunde wertlos waren. Wenn er dennoch in
ihnen nicht nachließ und die Sache, obwohl sie ihrer Natur nach
von Jahr zu Jahr verzweifelter wurde, zu seiner Lebensaufgabe
machte, so beweist das einerseits, wie groß die Wirkung war,
welche die Erscheinung ausüben konnte, und andererseits, wel-
che Anstrengung und Überzeugungstreue sich in einem alten,
unbeachteten Dorflehrer vorfinden kann. Daß er aber unter der
abweisenden Haltung der maßgebenden Persönlichkeiten schwer
gelitten hat, beweist ein kleiner Nachtrag, den er seiner Schrift fol-
gen ließ, allerdings erst nach einigen Jahren, aber zu einer Zeit, als
sich kaum jemand mehr erinnern konnte, worum es sich hier ge-
handelt hatte. In diesem Nachtrag führt er, vielleicht nicht durch
Geschicklichkeit, aber durch Ehrlichkeit überzeugend, Klage über
die Verständnislosigkeit, die ihm bei Leuten begegnet ist, wo man
sie am wenigsten hätte erwarten sollen. Von diesen Leuten sagt
er treffend: »Nicht ich, aber sie reden wie alte Dorflehrer.« Und er
führt unter anderem den Ausspruch eines Gelehrten an, zu dem
er eigens in seiner Sache gefahren ist. Der Name des Gelehrten
ist nicht genannt, aber aus verschiedenen Nebenumständen
läßt sich erraten, wer es gewesen ist. Nachdem der Lehrer große
Schwierigkeiten überwunden hatte, überhaupt Einlaß zu erlangen,
merkte er schon bei der Begrüßung, daß der Gelehrte in einem
unüberwindbaren Vorurteil in betreff seiner Sache befangen war.
In welcher Zerstreutheit er dem langen Bericht des Lehrers zuhörte,
den dieser an der Hand seiner Schrift erstattete, zeigte sich in der
Bemerkung, die er nach einiger scheinbarer Überlegung mach-
te: »Die Erde ist doch in Ihrer Gegend besonders schwarz und
schwer. Nun, sie gibt deshalb auch den Maulwürfen besonders
fette Nahrung und sie werden ungewöhnlich groß.« »Aber so groß
doch nicht«, rief der Lehrer und maß, in seiner Wut ein
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