Hoellenfeuer
ich!“
Dann wandte Samael sich ab und Raphael hörte das Rauschen mächtiger Flügel hinter sich. Schließlich stand er allein auf dem Balkon – hoch über dem Meer der Einsamkeit.
Eleanor hatte die Nacht über kaum geschlafen. Ihr nächtlicher Besucher hatte sie verängstigt und verunsichert. Sie hatte an die Worte Raphaels denken müssen, an seine Warnung vor dem Fürsten der gefallenen Engel. Samael.
Eleanor wusste nicht, wer in der vergangenen Nacht in ihrem Zimmer gewesen war. Sie würde Raphael davon erzählen müssen. Er würde wissen, was zu tun wäre.
Allerdings dauerte es an diesem Tag seine Zeit, bis die beiden einander begegneten. Nach Eleanors unheimlicher Begegnung mit dem Wesen, das des Nachts in ihrem Zimmer in der Ecke gehockt und mit ihr gesprochen hatte, wäre sie am liebsten direkt zu Raphael ins Zimmer Nummer Sieben gerannt. Aber sie besaß noch genügend Verstand, das nicht zu tun. Zweifellos würde man in Stratton Hall die falschen Schlüsse ziehen, wenn man sie nachts im Zimmer eines männlichen Patienten des Sanatoriums antraf.
Doch auch zum Frühstück hatte sie ihn nicht im großen Speisesaal getroffen. Heute lag für sie keine Therapiesitzung bei Dr. Marcus an und so stromerte sie allein über das Gelände und hielt Ausschau nach einem Zeitvertreib. Es war schon beinahe elf Uhr, als sie schnelle Schritte auf dem Kies hinter sich vernahm. Sie wandte sich um und sah Raphael eilig auf sich zukommen. Seine Bewegungen waren mittlerweile sehr viel koordinierter und flüssiger geworden. Er bewegte sich beinahe so elegant und gleitend, wie Eleanor ihn aus dem Toten Palast in seiner Gestalt als Engels kannte.
„Verzeih “, sagte er, als er endlich dicht vor ihr stehenblieb. Er war aufgeregt, doch bei Eleanors Anblick entspannten sich seine Züge und ein glückliches Lächeln zog über sein Gesicht. „Ich wollte viel eher bei dir sein. Aber es schien mir an diesem Ort nicht angebracht, nachts zu dir zu kommen. In den Frühstückssaal wollte ich nicht schon wieder kommen, weil es sicher irgendwann auffällt, wenn ich dort nichts esse. Und seit dem Morgen muss ich mich mit diesem Dr. Marcus rumplagen, der so viel wie möglich über mich herauszufinden versucht, seitdem ich ansprechbar bin.“
Eleanor lachte. „Offenbar hat dich die Wirklichkeit tatsächlich eingeholt. Siehst du, mit so einem Dreck muss man sich als Mensch herumschlagen.“
Auch Raphael lachte. „Wieder einmal denke ich, dass Gott uns nicht hätte schicken müssen. Ihr macht euch das Leben selbst schwer genug.“
Eleanors Lächeln erstarb bei diesen Worten und Raphael blickte sie besorgt an. „Was hast du? Habe ich etwas Falsches gesagt?“
Eleanor schüttelte den Kopf. „Ich hatte heute Nacht Besuch. Ich weiß nicht, wer es war, aber ich bin mir sicher, dass es einer von euch gewesen ist.“
Raphael versteifte sich. „Dann wird es Samael gewesen sein! Er hat auch mich vergangene Nacht aufgesucht. Was wollte er von dir?“
„Ich bin mir nicht sicher. Ich hatte fast den Eindruck, er wollte mich nur kennenlernen. Aber plötzlich änderte er seine Meinung, als er deine Anwesenheit in Stratton Hall spürte.“
Raphael sah nachdenklich drein. „Ja, offenbar hat Samael einen Zusammenhang hergestellt zwischen dir und mir. Das könnte sehr gefährlich für dich werden.“
„Nur für mich?“, fragte Eleanor fröstelnd. „Er wirkte auf mich beinahe so, als ob er auch für dich eine Gefahr darstellen könnte. Was hat er heute Nacht gewollt?“
„Er wollte sich einen Eindruck verschaffen. Von uns beiden. Es ist sehr ungewöhnlich, wenn ein Engel aus seinem Toten Palast herausgerissen wird. Meines Wissens wurde das auch noch nie von einem Menschen verursacht. Immerhin hat meine Nähe heute Nacht bewirkt, dass er zunächst zu mir kam und von dir abließ.“
„Was hätte er mit mir getan?“
„Für gewöhnlich versuchen gefallene Engel die Menschen zu beeinflussen. Sie verleiten sie zur Sünde, damit ihre Seelen nach dem Tode nicht vor Gott bestehen können. Diese Seelen werden dann körperlos zur Erde zurückgesandt, um dort bis zum Tage des Jüngsten Gerichts ruhelos umherzuirren.“
„Können Engel dem Menschen körperliche Gewalt antun?“
Raphael schnaubte. „Und wie! Unsere Körper bestehen aus dem himmlischen Feuer. Eine Berührung von uns kann höchste Glücksgefühle auslösen oder ei nen Menschen mit der Kraft von tausend Sonnen verbrennen!“
Eleanor schauderte sichtlich und blickte Raphael
Weitere Kostenlose Bücher