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Organic

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Titel: Organic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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1. KAPITEL
    Donnerstag, 8. Juni
    Eco Energy Industriepark
    Tallahassee, Florida
    Dr. Dwight Lansik vermied es, nach unten zu sehen. Der Gestank, der ihm durch die Stahlroste unter seinen Füßen entgegenschlug, widerte ihn an. Es roch wie eine Mischung aus gebratener Leber, Abwässern und verdorbenem Fleisch. Egal wie oft er duschte und seine Haut schrubbte, bis sie rot und wund war – er würde es immer noch riechen können. Daher machte er normalerweise einen großen Bogen um die Stahlstege, die über die silbergrauen Tanks und das Gewirr von Rohren dazwischen führten. Vor allem hielt er sich von dem Tank unter ihm fern, dessen riesige Klappe weit offen stand wie ein grinsendes Maul, während ein Laster gerade eine der letzten Lieferungen des Tages dort hineinkippte. Aber genau hier hatte Ernie Walker sich unbedingt mit ihm treffen wollen.
    So war Ernie nun mal, der seine Anliegen jedes Mal drastisch untermauern wollte. Letzte Woche erst hatte der Mann darauf bestanden, dass Dwight sich direkt am Verdunstungsrohr mit ihm traf, damit Dwight die extreme Hitze selbst erleben konnte. „Du hättest mir doch einfach sagen können, dass das verdammte Ding viel zu heiß ist, Ernie“, hatte er seinen Betriebsleiter gerügt. Der hatte nur mit den Schultern gezuckt und gemeint: „Ist doch besser, wenn du es selbst siehst.“
    Auch wenn Lansik es nur höchst ungern zugab, hatte Ernie doch recht. Hätte er ihn nicht zum Senkzylinder geholt, hätte Dwight das eigentliche Problem niemals verstanden, und das war immerhin erheblich ernster als ein überhitztes Verdunstungsrohr. Wie sollte er auch? Seine Arbeit fesselte ihn ans Labor, wo er schließlich auch hingehörte und wo er auch viel lieber war. Dort machte er Analysen und Berechnungen über Siedezeiten und Verdunstungstemperaturen. Er hatte nun mal mit Rezepten und Papierkram zu tun.
    Seine Frau Adele hatte ihn deswegen immer gern aufgezogen, und die Erinnerung an sie versetzte ihm einen Stich. Sie war jetzt über ein Jahr weg, aber er vermisste sie nach wie vor schrecklich. Ja, sie hatte ihn gern geneckt – oder angespornt? –, er könne einfach alles, das aus Kohlenstoff bestand (sich selbst eingeschlossen), in seinen Einzelteilen kalkulieren, wenn er es nur anschaute. Er musste zugeben, dass er das längst getan hatte. Seine sehnigen fünfundsiebzig Kilo bestanden aus genau fünfzehneinhalb Kilo Öl, drei Kilo Gas und ebenso viel Mineralien sowie knapp vierundfünfzig Kilo sterilisiertem Wasser. Aber solche Dinge musste er nun einmal wissen. Dagegen konnte niemand von ihm erwarten, jederzeit auf dem Laufenden zu sein, ob jedes einzelne Druckausgleichsventil voll funktionsfähig und kein Destillationsrohr verstopft war. Das war Ernies Job.
    Andererseits gehörte es nicht zu Ernies Aufgaben, sich mit dem Computerprogramm herumzuschlagen, das die Abläufe regelte und kontrollierte – Fließrichtung und Temperatur, Phasen, die Länge und Geschwindigkeit, mit der der Rohstoff durch die Rohre floss, was abgesenkt und abgespalten und abgelassen wurde. Nein, das gehörte nicht in Ernies Arbeitsbereich. Das war einzig und allein Dwights Aufgabe. Als Programmierer des gesamten Systems war er der Einzige, der es modifizieren und verändern konnte. Aber diese gierigen Bastarde fanden irgendwie einen Weg, es zu umgehen, ihn zu übergehen. Und nun hoffte Dwight, dass Ernie nicht noch ein weiteres verräterisches Anzeichen dafür ausgemacht hatte, bevor Dwight auch nur die Chance hatte, etwas zu unternehmen.
    Plötzlich griff Dwight Halt suchend nach dem Geländer. Hatte das Stahlgewirr unter ihm etwa zu vibrieren begonnen?
    Er fuhr herum und schaute zu der Leiter am Ende des Laufstegs. Konnte er Ernie überhaupt hören, wenn dieser die wackligen Metallsprossen erklomm? Der Hörschutz dämpfte alle mechanischen Geräusche, das Pfeifen und Klappern der Rohre, die sich von Behälter zu Behälter wanden, das Geräusch der Hydraulik und das Summen der Motoren und Pumpen – und sogar das Blubbern der stinkenden Brühe unter ihm. Trotz des leichten Schaukeins konnte er am Ende des Stegs niemanden sehen.
    Er wartete darauf, dass Ernies Hand über dem Ende der Leiter erschien, die nach oben führte. Unter ihm rumpelte noch ein Tanklaster heran und sandte mit quietschenden Bremsen eine Dieselwolke nach oben. Erneut vibrierte der Metallsteg. Aber auf dem Handlauf der Leiter waren keine Finger zu sehen, kein Anzeichen, dass jemand nach oben kam. Vielleicht hatte der Laster die Vibration

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