Hoellenfeuer
seufzte. Wieder einmal wurde ihr bewusst, dass zwischen ihr und ihm Welten standen. Unterschiedlicher als sie beide konnte man nicht sein.
„Warum seufzt du?“, erklang eine Stimme hinter Eleanor.
Ruckartig fuhr sie herum. Dort auf dem Fensterbrett saß Raphael und blickte sie amüsiert an.
Erleichtert atmete Eleanor auf.
„Was machst du hier? “. Unbewusst flüsterte sie, um ihre Stimme nicht aus dem Zimmer dringen zu lassen. „Was ist, wenn dich hier jemand sieht?“
Ein beinahe schelmisches Lächeln huschte über Raphaels Gesicht. „Das ist nicht wahrscheinlich. Heute Abend spielt Manchester gegen die Deutschen. Ich habe es in den Stimmen und Gedanken der Schwestern von der Nachtschicht gehört. Sie werden sich das Spiel im Fernsehen anschauen und das Schwesternzimmer nicht verlassen. Sie planen keine Kontrollgänge heute Nacht.“
Eleanor sah ihn fasziniert an. „Das kannst du in ihren Gedanken sehen? Das hast du gehört?“
„Es ist wie mit der Droge, die du ein paar Mal genommen hast, diesem Tetradyxol, das bei dir Bewusstseinserweiternd gewirkt hat. Durch sie war es dir möglich, zufällig in meinen Geist einzudringen und du konntest auch Geräusche in deiner Umgebung hören, die niemand sonst hätte wahrnehmen können. Für mich ist das gewissermaßen ein Dauerzustand. Ich kann das ohne Drogen.“
„Über welche Entfernungen?“
Raphael verzog den Mund und blickte an die Decke. „Keine Ahnung. Vielleicht ein paar Meilen.“
„Ich fange an, mich vor euch zu fürchten. Nicht einmal meine Gedanken scheinen noch sicher zu sein.“
„Nein, so ist es nicht“, lachte Raphael. „Ich kann kaum in deinen Geist eindringen, ohne dass du es bemerken würdest. Denk daran, wie du in meinen Geist eingedrungen bist. Ich habe dich gespürt. Man müsste schon sehr abgelenkt sein, um nicht zu bemerken, dass jemand in den eigenen Geist eindringt. Allerdings hatten die Schwestern der heutigen Nachtschicht tatsächlich eine Menge andere Dinge im Kopf“, Raphael schüttelte sich und zog die Nase kraus. „Das Fußballspiel von heute gehörte allerdings auch dazu.“
Eleanor verzog in gespieltem Entsetzen den Mund. „Ich glaube, ich will das gar nicht so genau wissen.“
Raphael lachte wieder. Eleanor sah ihn verzaubert an; sein Lachen war ansteckend und über die Maßen schön anzusehen. Eleanor hätte ihn stundenlang anstarren können. Schließlich wurde ihr bewusst, dass sie genau das gerade tat.
„Was genau liegt heute Abend an?“, räusperte sie sich.
„Ich denke es wäre gut für dich, noch etwas mehr über Engel zu erfahren. Je besser du über uns Bescheid weißt, desto schwerer wird Samael es mit dir haben.“
Eleanor wurde schlagartig ernst. „Was hast du vor?“
Raphael lächelte geheimnisvoll. „Heute Nacht machen wir einen kleinen Ausflug.“ Dann trat er auf Eleanor zu.
Sie hätte später nicht mehr sagen können, wie sie aus ihrem Zimmer gelangt war. Es schien, als sei sie einen Augenblick ohnmächtig gewesen. Nur einen Lidschlag lang waren ihre Augen geschlossen gewesen. Doch in dieser Zeit hatte Raphael sie in seine Arme genommen und das Zimmer mit ihr verlassen. Als sie die Augen öffnete und die Welt wieder wahrnahm, befand sie sich im Park von Stratton Hall, direkt unterhalb ihres Zimmerfensters. In dieser Zeit hatte sie tatsächlich nur ein einziges Mal geblinzelt.
Eleanor schnappte erschrocken nach Luft. „Wie hast du das gemacht?“, fragte sie und sah sich dabei verwirrt und doch zugleich beeindruckt um.
„Mauern sind keine Hindernisse für einen Engel “, erklang Raphaels Stimme aus der Dunkelheit. „Wir können sie einfach durchschreiten. Es liegt wohl an unseren Körpern. Sie sind nicht..., nun ja, nicht so stark irdischen Regeln unterworfen. Da ich dich dabei hatte, musste ich allerdings durchs Fenster mit dir springen.“
Elean or sah die Mauer empor. Tatsächlich war ihr Fenster noch immer leicht nach innen geöffnet. Doch sie war im Bereich der Geschlossenen Abteilung untergebracht worden, wo die Fenster vergittert waren.
„Wie… wie sind wir an den Gittern…?“, stammelte sie.
„Es sind doch nur Gitter“, lachte Raphael. „Mit dir in den Armen war es leicht, die paar Meter dort runterzukommen. Es wird auch kein Problem sein, auf diese Weise nachher wieder hinein zu gelangen.“
Eleanor war beeindruckt. „Du verletzt dich vermutlich auch nicht, oder?“, fragte sie.
Raphael lächelte. „Nein. Ein Engel kann bestenfalls von einem anderen Engel
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