Die dunkle Prophezeiung des Pan
LEE
DIE PROPHEZEITE
Ich
hatte ihr Unrecht getan.
Mein
erster Eindruck von Felicity Morgan war nicht der beste gewesen. Bei
unserer ersten Begegnung trug sie ein T-Shirt mit der Aufschrift
»Sexgott« und ihre Haare hatten ausgesehen, als hätte
sie ein Griff in die Steckdose geföhnt. Die Zahnspange, zehn
Kilo zu viel und das vorlaute Mundwerk hatten auch nicht wirklich
attraktiv gewirkt.
Aber sie war die Retterin der Elfen,
die Prophezeite. Meine zukünftige Braut. Deswegen wollte ich sie
besser kennenlernen.
Tatsächlich
bot Felicity Morgan mehr Facetten als ein Fabergé-Ei.
Sie
war faszinierend und ich verstand nach einer Woche sehr gut, warum
ihre Freunde sie so sehr schätzten. Ihr Humor war subtil und nie
verletzend, ihre Loyalität unerschütterlich.
Genau
wie ihr Mut. Bei einem plötzlichen Zeitsprung ins achte
Jahrhundert wäre jeder andere Teenager zusammengebrochen. Egal,
aus welcher Epoche er stammte. Ich hatte viele Menschen
kennengelernt, seit ich auf der Welt war. Aber Felicity hatte nicht
nur stoisch den Zeitsprung ertragen, sondern sich behauptet. Sie war
entführt worden und hatte das Vertrauen Karls des Großen
erlangt.
Den
Mord, den man ihr anhängte, als wir zurück im
einundzwanzigsten Jahrhundert waren, konnte sie unmöglich
begangen haben. Nicht Felicity. Ich würde ihn eher jedem anderen
am Horton College in London zutrauen, aber niemals Felicity.
Deswegen
musste ich den Mörder finden und Felicity in Sicherheit bringen.
Prophezeite hin oder her, wenn König Oberon von ihrer Schuld
überzeugt war, würde er das Buch der Prophezeiung
ignorieren.
Das
Buch der Prophezeiung war wie das Orakel von Delphi – ungewiss.
Man musste seine Seiten interpretieren, was in der Vergangenheit
schon zu Fehlentscheidungen geführt hatte. Nein, auf das Buch
der Prophezeiung würde König Oberon nichts geben.
Ich musste den tatsächlichen
Mörder entlarven.
Aber
erst musste ich Felicity in Sicherheit bringen. Sie war zu kostbar
und tausendmal mehr wert als jede Nymphe, der ich in meinen
dreihundertzwanzig Jahren begegnet war.
FELICITY
DÉJÀ-VU
Richard
Cosgrove, der attraktivste Schauspieler der Welt, sah mich mit seinen
wunderschönen, grauen Augen an. Er strich mir eine
widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. Anschließend zog
er seine Hand nicht zurück, sondern streichelte mit zarten
Fingern mein Haar, dann meinen Nacken und sagte: »Wer hätte
gedacht, dass du schnarchst.«
Ich
schlug die Augen auf. Eisblaue Augen mit einem markant dunklen Rand
sahen mich verschmitzt an.
»Na,
endlich. Ich dachte schon, du wärst ins Koma gefallen.«
Lee!
In meinem Bett? Neben mir? Ruckartig setzte ich mich auf.
»Was
tust du hier?«
»Wir
sind geflüchtet, weißt du noch?«
Das
war nicht mein Schlafzimmer. Eine rosafarbene Blümchentapete
schmückte die Wände und wir lagen in einem dazu passendem
stoffbezogenen Bett. Lee und ich.
Und
sein Oberkörper war nackt.
Entsetzt
sah ich an mir herunter. Ich trug nichts außer meiner
Unterwäsche. Sofort zerrte ich die Decke hoch.
»Verdammt!
Ich kann mich an nichts mehr erinnern.« Das stimmte. Das
letzte, was ich noch wusste, war … Ja, was?
Lee
hatte mich nicht aus den Augen gelassen. Er fuhr sich durch seine
dichten, blonden Haare und ich sah seine spitzen Ohrmuscheln.
Schlagartig fiel mir wieder alles ein: Lee war ein Elf. Ein Halbelf,
um genau zu sein. Und er konnte in der Zeit springen, um
Kriminalfälle zu lösen. Ich war mit ihm gesprungen.
Zumindest ins Mittelalter. Das hier war definitiv nicht
mittelalterlich. Nicht mit der verstaubten Lampe und Wasserrändern
auf der Rigipsdecke.
»Das
ist nicht der Hof von Karl dem Großen«, stellte ich fest
und fühlte den synthetischen Stoff der Bettdecke.
»Nein.
Wir sind in einem Bed & Breakfast in Yorkshire. Bist du beim
Aufwachen eigentlich immer so neben der Spur?« Lee zog sich
hoch und lehnte sich lässig an das bezogene Bettoberteil.
Wie
schaffte er es nur, auf einem rosageblümten Stoff so männlich
und sexy zu wirken? »Willst du mir nicht endlich erklären,
was wir in Yorkshire tun? Und wie wir hierherkommen? Und weshalb du
neben mir im Bett liegst!?« Ich sah mich auf dem Boden neben
dem Bett nach meinen Klamotten um. Wo hatte ich mich ausgezogen?
Wieso wusste ich nichts mehr davon?
»Ich
habe dich ausgezogen. Du warst so gut wie bewusstlos. Die Sachen
liegen dort hinten auf dem Stuhl.«
Ich
drehte mich zu Lee um. Er bemühte sich wenigstens um ein
unschuldiges Gesicht. Aber es gelang ihm
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