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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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verletzt werden. Durch Stürze oder andere Gewalteinwirkung kann man unsere Körper mit Sicherheit nicht dauerhaft beschädigen.“
    „Gut. Und wohin geht’s jetzt?“
    „Wir werden ein wenig spazieren gehen. Ich will dir etwas zeigen und außerdem wäre es nicht gut, wenn jemand etwas von unserem Gespräch mitbekäme.“
    Die beiden setzten sich in Bewegung und gingen um das Haupthaus herum, bis sie den Hauptweg erreichten, der zum großen Eingangstor führte. Ausnahmsweise regnete es einmal nicht. Die abendliche Wolkendecke war an einigen Stellen aufgerissen und gab den Blick auf die Sterne frei. Ihr Funkeln war beruhigend und angenehm . Es roch noch immer nach Regen und frischen Nadelhölzern, das Knirschen des Kiesweges unter ihren Sohlen erfüllte die Nacht. Vereinzelt waren noch Vögel zu hören. Das große, schmiedeeiserne Eingangstor öffnete sich beinahe geräuschlos und bald darauf gingen die beiden die Landstraße entlang, die unter dichten Bäumen hinunter zum Dorf führte.
    „Raphael “, setzte Eleanor nach einer Weile an. „Ich habe eine Frage an dich, die mir schon seit gestern im Kopf umgeht.“
    Raphael nickte.
    „Wenn du ein Engel bist und du zu denen gehört hast, die sich auf Samaels Seite gestellt haben... dann musst du doch Gott gesehen haben.“
    Raphael sah Eleanor an. „Du willst wissen, wie Gott aussieht “, stellte er nüchtern fest.
    Eleanor erwiderte nichts. Sie starrte weiter geradeaus auf die Landstraße, die sich unter den finsteren, regennassen Bäumen nach Stratton hinunter zog. Es war ihr peinlich, diese Frage gestellt zu haben.
    „Du solltest dir keine Vorstellung von Gott machen. Er sieht nicht aus, wie du und ich. Er ist ohnehin nicht an irgendeine Form gebunden. Warum also sollte er eine sichtbare Form annehmen?“
    Eleanor nickte.
    „Gott braucht keinen Körper “, fuhr Raphael fort. „Er kann sich in sichtbaren Dingen manifestieren, aber auf einen eigenen Körper ist er einfach nicht angewiesen. Und auch wenn man ihn nicht unbedingt sieht – man kann ihn spüren. Und Gottes Nähe zu fühlen ist großartiger und lebendiger, als es jeder Anblick sein könnte.“
    Er seufzte und Eleanor wurde schlagartig bewusst, dass sie in Raphael die Erinnerung an genau jene Zeit heraufbeschworen hatte, die er mehr als alles andere vermisste. „Es tut mir leid“, hauchte sie. „Ich wollte nicht...“
    „Schon gut. Ich weiß, dass du es nicht böse gemeint hast. Und ich verstehe, dass du dich für Gott interessierst. Wenn man es genau nimmt, kennt ihr Menschen Gott eben nicht genügend. Ihr begegnet ihm ja frühestens, wenn ihr diese Welt verlassen habt. Es muss schwer für euch sein, hier zu leben und an einen Gott zu glauben, von dem ihr kaum etwas wisst.“
    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Ein leises Prasseln setzte über ihren Köpfen ein und rief ihnen in Erinnerung, dass das Geräusch des für diese Gegend des Landes so typischen Regens auch heute Nacht allgegenwärtig sein würde. Den Regen selbst sahen sie nicht, denn die Tropfen wurden weit über ihnen vom Blätterdach des Waldes abgefangen, durch den sich die Landstraße ihren Weg nach Stratton schlängelte. Und dort, wo vor ihnen die Landstraße an einigen Stellen das Astwerk der mächtigen Bäume teilte und der schwarze Nachthimmel zu sehen war, riss immer wieder die Wolkendecke auf und gab den Blick auf einen Vollmond frei, dessen Schein die Gegend in ein düsteres Zwielicht tauchte.
    Ein Schaudern durchlief Eleanors Körper. Raphael musste es wahrgenommen haben. Als wäre es die natürlichste Sache der Welt, nahm er ihre Hand in die seine. Sie war warm und angenehm. Die Welt schien mit einem Mal in Licht und Schönheit getaucht. Das Prasseln des Regens und die Dunkelheit der Nacht waren vergessen und allein das wunderbare Gefühl, nah bei Raphael zu sein, überstrahlte alles.
    So gingen die beiden Hand in Hand die Straße entlang.
    Als die Straße kurz darauf eine letzte Kehre beschrieb und den Blick auf Stratton freigab, kam es Eleanor so vor, als sei die Zeit viel zu schnell vergangen. Vor ihnen lag das nächtliche Stratton. In vielen Häusern brannte noch Licht. Natürlich, das Fußballspiel, dachte Eleanor.
    Nach einigen Minuten hatten sie den Rand der kleinen Gemeinde erreicht. Sie gingen die leeren Straßen schweigend entlang und Eleanor nahm mit Erstaunen die zierlichen Fachwerkhäuser des Ortes war, von denen einigen mit Sicherheit mehrere hundert Jahre alt sein mussten. Raphael hielt

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