Hoellenflirt
1
»Besiegelt wurde sein Schicksal mit dem Fuchs. Oben im Wald, am Abend des 31. Oktober. Er tauchte aus dem Nichts auf, stand unbeweglich im kahlen Unterholz, seine Augen dunkel funkelnde Sterne, die zu mir herüberstarrten. Unablässig troff Speichel aus seinem Maul. Ich wusste sofort, es war so einer...und das war kein Zufall.«
V alle hat recht gehabt, es fühlt sich gut und schrecklich an. Meine Haut prickelt vor Angst, genauso wie am Ende von unserem Konzert neulich, als ich noch nicht wissen konnte, ob das Publikum uns gleich mit Buhrufen vernichten oder mit Applaus belohnen würde.
Ich atme so schnell, als wäre ich gerannt, mit offenem Mund, es tut richtig weh in der Kehle. Mein Puls dröhnt in den Ohren und bei alldem versuche ich so zu tun, als wäre ich unsichtbar. Was ich definitiv nicht bin, mit den grünpinken Haaren und den Sicherheitsnadeln in den Augenbrauen. Vielleicht hätte ich mir für den Zweck doch von Kati etwas zum Anziehen ausleihen sollen. Seit mein Schwesterherz beim Fernsehen arbeitet, ist ihr Outfit neuerdings so aufregend wie das von Angela Merkel.
Mein Styling ist ganz anders, eher so, dass die Omas in der U-Bahn ihre Handtaschen fester umklammern, sobald ich einsteige. Trotzdem habe ich so etwas wie das hier noch nie getan.
»Nimm dir, was dir gehört. Diese Schwachköpfe werden nichts davon merken.«
Immer wieder flüstere ich Valles Worte leise vor mich hin, während ich durch den riesigen Mediensupermarkt laufe. Ich schaue mich vorsichtig um, die wenigen Kunden auf der Etage sind mit sich beschäftigt, niemandem wird es auffallen, wenn ich ein paar Black-Metal-CDs einstecke. Trotzdem fühlen sich meine Hände feucht an und das Dröhnen in meinen Ohren übertönt jetzt sogar »I just called to say I love you«, das schon zum fünften Mal läuft, seit ich hier drinnen bin.
Ich spähe viel zu oft über meine Schulter, sehe zum Glück gerade niemanden, fummle die Cellophanhülle auf – es knistert bedrohlich laut, deshalb stopfe ich die zerknüllte Folie hastig in meine Hosentasche. Die nackten, schwarz und silbern schimmernden CDs schiebe ich in die Jackentasche, danach stelle ich die leeren Hüllen zurück ins Regal.
»Und was hältst du von Judas Priest?« Ein ziegenbärtiger Typ im Totenkopf-Halloween-T-Shirt schaut mich aus hoffnungsvollen Augen an, ganz, als wäre ich sein Messias.
Mein Hals ist so trocken, dass ich kaum schlucken kann, die CDs ziehen mich nach unten wie Bleisärge auf dem Weg in die Hölle. Ich versuche, so lässig wie möglich mit den Achseln zu zucken und murmle: »Der Sound wird ganz sicher deine Halloween-Party versauen«, und mache, dass ich aus dem Laden komme.
Meine Lederstiefel kleben an dem dunkelgrauen Filzboden, als wäre es Schlamm, jeder Schritt kostet unendlich viel Kraft. Die ganze Zeit drehe ich den Kopf um, als würde ein unsichtbarer Marionettenspieler daran ziehen und mich zwingen, prüfend hinter mich zu blicken.
Diesmal bemerke ich einen Typen, der zu mir herübersieht, er schaut nicht nur, sondern er verschlingt mich sozusagen mit seinem Blick. Scannt mich, checkt mich ab, doch das bin ich gewohnt, ein voller Busen in schwarzer Ledermontur zieht Blicke magisch an.
Ich versuche, mich zu beruhigen, gehe betont lässig neben der Kasse an der Schranke vorbei, direkt in den Vorraum, von dem aus man ins Parkhaus kommt. Hier ist der einzige Ausgang ohne diese Piepsgeräte. Atme aus. Die CDs kleben an meiner feuchten Hand in der Jackentasche. Ganz ruhig. Jetzt ab in die U-Bahn und nach Hause.
Alles gut.
Eine schwere Pranke drückt auf meine Schulter, ich fahre herum.
Es ist der Typ, der mich angeglotzt hat, er lächelt, sein Blick durchbohrt mich. Aber es sind nicht die Maße, für die er sich interessiert, nicht mein Körper. Er holt einen Ausweis heraus, sagt etwas, doch bevor ich ihn verstehen kann, werden seine Worte schon zu Asche im Feuer meines Hirns.
Der Hausdetektiv. Detektiv!
Das geht ja gar nicht, nichts wie weg, ich muss hier raus, doch der Mann umfasst meine Schulter wie ein Schraubstock. Er murmelt etwas von Kameraaufzeichnungen und dass ich bitte mitkommen soll, Personalien aufnehmen, bevor er die Polizei ruft.
No way!
Ich stoße dem Typ vor seine breite Brust und renne zu den Türen, die direkt ins Parkhaus führen. Damit hat er nicht gerechnet, ich habe ein paar Sekunden Vorsprung, stemme die schwere Eisentür auf, haste die Stahlstufen zur nächsten Ebene rauf, Artischocke heißt sie, die heißen alle wie
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