Hoellentrip
konnte entscheiden. Sie allein, ob sie weiterleben wollte oder nicht. Gab es noch etwas, wofür es sich lohnte, zu leben? Langsam legte sie die Taler auf ihre Zunge, nahm das Wasserglas, das Archie ihr reichte, schüttete das Wasser in ihren Mund und schluckte alle Tabletten auf einmal.
Sie erinnerte sich an ihren Lebenshunger, ihre Lust auf Leben und Abenteuer, doch das war Vergangenheit, gehörte nicht mehr zu ihr. Bald war alles vorbei.
Ihr Körper wurde herumgeschleudert, sie musste sich übergeben, husten. Gesichter und die Augen von Archie und Mae tauchten vor ihr auf. Schreie drangen an ihr Ohr. Archie schüttelte sie an den Schultern, hatte ihr seinen Finger in den Hals gesteckt, damit sie erbrach, Mae schrie mit überschnappender Stimme . Archie s tieß sie grob zurück. Totenblass wankte Mae aus dem Wohnwagen.
„Liebling!“ Archie lächelte zärtlich. „Was machst du nur für Dummheiten!“ Er streckte die Hand aus und legte sie auf ihre Wange, feucht und schwammig wie eine Qualle.
„So was darfst du nicht mehr machen!“ Er zog sie an sich . „Dummerchen!
„Was ist mit Catherine?“, brachte sie hervor.
„Sie steht uns nicht mehr im Weg“, antwortete er mit glasigen Augen.
107
Sieben Uhr morgens. Keine Straßensperre, kein Hinweis aus der Bevölkerung, keine Polizeistreife hatte während der vergangenen zwölf Stunden die Packers aufspüren können. Was sollte ihm also Zuversicht geben, dass es in den nächsten zwölf Stunden anders werden würde?
„Es ist hell“, sagte Tamara, als ob sie seine Bedenken erraten hätte. „Und irgendwann müssen die Packers tanken, einkaufen und anhalten. Ich bin sicher: Es dauert nicht mehr lang, und wir haben sie.“
„Wenn ich nur wüsst e, wohin sie fahren!“ Shane ging im Büro auf und ab.
Sie waren weder in ihrem Haus in Longreach, noch hatte man sie auf dem Highway 71, der dorthin führte, entdeckt. Straßensperren waren errichtet. Aber was bedeutete das in einem so großen Land? Wenn Archie und Mae von den Hauptstraßen abgebogen waren und irgend eine Piste genommen hatten, würde man sie ni e finden. Vielleicht fuhren sie auch längst einen anderen Wagen mit einem anderen Kennzeichen.
„Wieso sind sie abgehauen? Wieso wussten sie, dass wir kommen?“, fragte Tamara un d spielte nervös mit einem Kugelschreiber . „Glaubst du, sie haben Joanna und Max mit den Polizisten bemerkt, wie sie nach dem Grab suchten?“
„Wer weiß?“, Shane schüttete den Kaffee in sich hinein, „Jedenfalls fliehen sie mit den Studentinnen, die sie in der Eile nicht mehr töten und vergraben k onnten ...“
Archibald und Mae Packer waren ihnen entwischt. Fiona Miller machte die Tür auf.
„Wir haben einen Anruf aus einem Lebensmittelladen in Roma bekommen“, begann sie, „vorgestern hat dort ein Mann zwanzig Becher von diesem Mousse au Chocolat verlangt!“ Roma war hundertneunzig Kilometer von Chinchilla entfernt, zu weit für einen Besuch. Den müssten die dort ansässigen Kollegen übernehmen. E ine knappe halbe Stunde später erhielt Shane eine Rückmeldung:
Der Chef, Andrew Myer, und auch die Angestellte Becky waren sicher: Bei dem Kunden, der die zwanzig Becher Mousse au Chocolat wollte, handelte es sich um Archibald Packer. Beide erkannten ihn zweifelsfrei auf dem Foto, das der Detective ihnen zeigte.
War’n komischer Typ , hätte Myer gesagt, berichtete der ermittelnde Detective , als ich endlich die zwanzig Stück aus dem Lager geholt hatte, wollte er plötzlich nur noch zehn.
Shane hörte Steve Himmelreichs Worte wieder: Mit jedem Mord verbindet sich ihr gemeinsames Leben und ihr Schicksal enger, entfernt sich mehr von den anderen Menschen. Sie müssen zusammenhalten, gemeinsam lügen, sich gemeinsam verstellen. Sobald Misstrauen zwischen den beiden Partnern auftritt, ist das Leben beider in Gefahr. Sie haben sich gegenseitig in der Hand. Wenn einer von ihnen aussteigt, oder den anderen betrügt, fliegt alles auf .
„Entweder schwelgt Archibald Packer in Erinnerungen an sein Opfer“, sagte Tamara nachdenklich, „das hieße wahrscheinlich, sie ist bereits tot - oder aber ... er will ihr etwas G utes tun? Wie auch immer, Packer scheint offensichtlich eine besondere Beziehung zu Sophie entwickelt zu haben.“
„Glaubst du, seine Frau lässt das einfach geschehen?“, fragte Shane .
„Bestimmt nicht.“
„Was würdest du an Maes Stelle dann tun?“, fragte er weiter.
„Ich würde alles daran setzten, sie so rasch wie möglich zu
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