Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Sonnenschein, und die Luft fühlt sich schwer an, wie eine unsichtbare Last. Der Zigarettenrauch, den ich, vor der Münzwäscherei stehend, in die Luft blase, wabert träge um meinen Kopf herum. Ich schwitze im Sitzen, trotzdem ist es hier draußen noch erträglicher als drinnen, wo die Feuchtigkeit von den Waschmaschinen und die von den Trocknern abgehende Hitze die reinste Saunaatmosphäre geschaffen und die Fensterscheiben mit undurchsichtigem Dampf belegt haben. Jedes Mal, wenn ein Kunde rauskommt, dringt der ätzende Geruch von Waschmitteln raus auf die Straße.
Manchmal sitze ich im Waschsalon und lese, doch heute sind sämtliche Frauen aus der Nachbarschaft anwesend und unterhalten sich kreischend und kichernd über irgendwelche Bilder in Klatschmagazinen. Ihre Stimmen werden von der Betonziegelwand zurückgeworfen und prallen mit aller Schärfe auf mein Trommelfell. Der Inhalt ihrer Gespräche ist jede Woche der gleiche, nur mit anderen Personen. Wie fein das wäre, so reich oder so schön wie diese oder jene Filmschauspielerin zu sein oder ein wenig vom Talent dieses großartigen Reality-TV-Stars abbekommen zu haben. Sieh dir bloß mal die Autos an, die dieser Typ sammelt. Eines davon würde mir vollauf genügen. Ich fände auch diese Villa ganz nett, mit Blick über diese griechische Insel …
Einmal hab ich halbherzig durch eines dieser Magazine geblättert, bloß um zu gucken, worüber die ständig quasseln. Da war ein Hochglanzfoto nach dem anderen zu sehen, Bilder von schönen Menschen mit Villen, Autos und Diamanten. Der reinste Finanzporno.
Ich mach das, was ich meistens am ersten meiner freien Tage mache: vor dem Waschsalon in einem der billigen Plastikstühle sitzen und über mein Leben nachdenken, während sich drin die Trommel mit meiner Wäsche dreht. Zurückgelehnt blicke ich an mir runter und stelle fest, dass ich langsam ein ganz nettes Bierbäuchlein ansetze. Gut möglich, dass das Netzunterhemd, das ich an Waschtagen für gewöhnlich trage, diese Tatsache auch noch unterstreicht, die mir in letzter Zeit allerdings schon öfter aufgefallen ist.
Das Taxifahren macht mich kaputt. Wortwörtlich. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hinter dem Lenkrad sitzen, den ganzen Tag ohne Bewegung, davon sind meine einst so kräftigen Beine ganz verkümmert und dürr geworden. In der Highschool hab ich Football gespielt, meine Beine so stark wie Stahlträger. Jetzt bin ich verweichlicht, wie ein eins neunzig großer Marshmallow oder wie eines dieser Kinderspielzeuge ohne scharfe Kanten. An meinen freien Tagen schießen mir stechende Schmerzen in den Rücken ein, eine Folge der Tatsache, dass ich nie irgendwelche Muskeln benutze, abgesehen von denen, die zur Betätigung von Gaspedal und Bremse dienen. Die unbenutzten Muskeln begehren natürlich auf, wenn sie dann eine Ladung Schmutzwäsche das Treppenhaus runterschleppen sollen.
Anfangs hab ich mich tapfer bemüht, möglichst fit zu bleiben. Ich erinnere mich, wie ich in meinem ersten Jahr in der Garage den Oldies beim Kartenspielen zusah und erstaunt ihre Bäuche registrierte, die ihnen nicht erlaubten, näher an den Tisch heranzurücken. Also mussten sie ihre Arme ganz schön strecken, wenn sie Geld in den Topf werfen wollten. Ihre Zähne waren braun vom Kaffee aus dem Laden nebenan, ihre Arme und Beine infolge Nichtgebrauchs spindeldürr. Damals nahm ich mir ganz fest vor, nicht so zu enden wie diese Typen, egal wie lange ich in dem Laden arbeiten würde.
In meinen ersten Jahren war ich Mitglied im Fitnessclub und ging an meinen freien Halbtagen und Tagen regelmäßig zum Training hin. Ich versuchte, die Schichten mit maximal zehn Stunden zu begrenzen, und ging immer zu Fuß nach Hause, damit meine Glieder auch was anderes zu tun bekamen, als bloß auf die Pedale zu drücken. Dann ging die Miete rauf, der Fitnessclub wurde zur nicht unbedingt notwendigen Ausgabe, und längere Arbeitsschichten abzulehnen, war auch nicht mehr drin. Die schrecklichen Kräfte des Verfalls begannen ihr Werk an meinem Körper. Ich habe ständig gearbeitet, und wenn ich mal frei hatte, war ich zu müde, um irgendwas anderes zu tun, als mich auszuruhen, um für die nächste Schicht fit zu sein.
Immerhin hab ich einen Job. Nicht wie die Penner, die hier rund um den Waschsalon rumhängen – schwitzende, zahnlose Kerle mit Zottelbärten und fleckigen T-Shirts. Sie wissen, dass unsereins Kleingeld dabeihat. Ich geb einem von ihnen, der mich vom letzten Mal noch kennt, ein
Weitere Kostenlose Bücher