Holy Shit
Twasbuengel/Twasdriever« (»aufsässiger, rebellischer Spielverderber, Quertreiber«). Ab und zu präsentiert er sich aber schon als »Dickedauer« (»Angeber, Dicketuer«), der allerlei »Maföken/Mafauken« (»Dummheiten«, auch »Ausflüchte, Machenschaften«) im Kopf hat. Nie erlebt ihn der Leser als »wrampigen Dickdriever« (»verdrießlicher, mürrischer Sturkopf«) oder als »pin(nen)schietrig« (wörtlich »nadelscheißig«,Pendant zu »Korinthenkacker«, also »übergenau/pedantisch«). Und so unbedeutend er scheint in seinem kleinen Leben, so gilt er seiner Umgebung doch mehr als »iuse Herrgott söin Garnix« (»unbedeutender Mensch«).
Ich breche hier lieber ab, denn Niederdeutsche sind ja selten »Kloeterfieken« und »Kloeterjoochen« (»Quatschliese« und »Schwätzer«). Nur noch einen schönen Spruch zum Schluss: »Dat is’n anner Kurn, sä de Möller un beet op’n Muuskötel.« Das bedeutet: »Denkste! So eben nicht!« Wörtlich heißt es: »Das ist ein anderes Korn, sagt der Müller und beißt auf ein Stück Mäusedreck.«
Niedliche Nachbarn? Die gar nicht immer netten Schweizer
»Äffli«, »Häxli«, »Tüüfeli«. Solche Ausdrücke entsprechen dem verbreiteten Klischee von den Schweizern und ihrer Sprache. Alles klinge so nett, manche meinen gar, es töne niedlich. Nun sind die genannten Ausdrücke Koseformen, doch sie verdanken sich Schimpf- beziehungsweise Mahnwörtern. Und diese bilden nur die Spitze des Schweizer Fluch-Eisbergs.
A propos »alt« – manche der Kraftausdrücke erinnern nicht nur ans Mittelalter, sie stammen tatsächlich aus diesen alten Zeiten. Da ist der »Siech« beispielsweise, der nicht mehr wie vor 500 Jahren einen Kranken im »Siechenhaus« bezeichnet, sondern einen irgendwie Minderwertigen, allerdings auch einen »Kerl« – positiv oder negativ. Ein »Siebesiech« ist beispielsweise jemand, der alles im Griff hat, ein »Tausendsassa« auch. Gern bekommt »Siech« noch ein schmückendes Beiwort wie »der wipfelsinnige, grindige, tumme Siech!« Er gehört zusammen mit »Chog, Cheib, Huer« zu den häufigsten Kraftausdrücken, sozusagen zum Grundvokabular helvetischenSchimpfens. Dabei ist »Chaibä/Cheibe« einerseits wiederum ein Wort für »Kerl«, das angeblich ursprünglich einen Pferdekadaver betraf, dann sich aber auch als ein Steigerungswort im Sinne von »sehr, groß, stark, besonders« verbreitete, wie in »der cheibe Lughund« (»der große Lügenhund«) oder »cheibekalt« (»sehr kalt«).
Die wohl gebräuchlichsten Fluchvariationen in der Schweiz beginnen alle mit »gopf-«, wie in »gopfertoori, gopferteli, gopferteckel, gopfriedstutz, gopfertami, gopfertamisiech« – allesamt Verballhornungen von »Gott, verdamm mich!« Das verstärkt man zuweilen mit einem »huere« zu Beginn oder einem »nonemol« am Ende. Eine entzückende Kombination von zwei sehr gebräuchlichen Schimpfwörtern mit einigen weiteren führte – laut NZZ vom 25. April 2001 – zu einer Geldbuße von 300 Schweizer Franken: »Du huere Schofseckel, chasch din Sauhund nüd a d’Leine neh, ich mach dir dä Siech susch kaputt.« »Du mieser (eigentlich: hurenhafter) Schafssäckel, kannst du deinen Sauhund nicht an die Leine nehmen. Ich mach dir deinen Kerl sonst kaputt.«
Bevor wir uns anderen Ergötzlichkeiten der Schweizer Flüche widmen, eine Doppelwarnung: Versuchen Sie niemals, selbst im Idiom der Schweiz zu sprechen; höchstens auf Aufforderung! Und hüten Sie sich vor zu raschem Verstehen! Es lauern falsche Freunde. Wenn man Sie als »fremden Fötzel« bezeichnet, hören Sie zu Recht Beleidigendes, aber es heißt lediglich »mieser Auswärtiger, misstrauenswürdiger Fremder«. Der »Fötzel« ist ein »Kerl«, eigentlich »Arsch«, der mit »Fudi/Füdli« (»Hinterteil, Hintern«) zu tun hat, aber nichts mit dem vulgärsprachlichen Ausdruck im Hochdeutschen für das weibliche Geschlechtsteil. Ähnlich ist es beim »Luuser«, der mit unserem eingedeutschten englischen »Loser« gern verwechselt wird. Langes »u« wurde im Neuhochdeutschen zum Umlaut »au«, bei den Schweizern blieb es aber. So heißt »Luuser« »Lauser, Lausbub, Schlitzohr«.
Jetzt gerate ich in Gefahr, zur Zielscheibe weiterer Schimpfworte zu werden. Wer so viele Worte macht wie ich, den haben die Schweizer gefressen und nennen ihn oder sie: »Lafäri, Schnädertante, Schnorri, Schwafli«. Von diesem Grad der Missachtung ist es nicht mehr weit zum »Bhaupti« (»Besserwisser«), »Blöffsack«
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