Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
rechtlichen Präzedenzfall befasst, den Ihr Vater durch die Annexion von Basilisk geschaffen hat. Ihr Onkel ist an diesem Wochenende auf Gryphon, aber ich habe Ramirez Schlussfolgerungen durch erfahrene Fachleute des Außenministeriums überprüfen lassen. Unter Vorbehalt geben sie ihm Recht bei seiner Einschätzung über die Befugnis der Krone, dem Sternenkönigreich mit der Zustimmung des Parlaments weitere Welten einzuverleiben.«
»Aber was ist mit den anderen San Martinos? Glaubt Ramirez denn, sie lassen es sich einfach gefallen, wenn er sie auf diese Art und Weise verschachert?«
»Ich denke nicht, dass er so etwas glaubt, Euer Majestät«, antwortete Cromarty ernst. »Ich bezweifle aber auch sehr, dass er ihnen das Gefühl gibt, verschachert worden zu sein. Anscheinend ist der Anschluss nicht allein auf seinem Mist gewachsen. Seinem Brief zufolge sind etliche der neu gewählten Senatoren unabhängig voneinander auf diese Idee gekommen. Sie alle redeten mehr oder minder um den heißen Brei herum, ohne dass jemand den Mut hatte, das Thema offen aufs Tablett zu bringen. Schließlich ließ Ramirez beiläufig eine Bemerkung fallen, die sie als Zeichen dafür auffassten, dass er ihre Absichten teile. Daraufhin setzten sie sich in Bewegung. Die Ermächtigung, offiziell bei uns vorzufühlen, wurde eingereicht, in nichtöffentlicher Sitzung vom Senat beraten und keine zwei Wochen später verabschiedet.«
»Sie wollen damit sagen, Ramirez handelt mit offizieller Billigung des Senats?«
»So steht es in seinem Brief, Euer Majestät. Und wenn der eigene Senat zumindest hinter einer Erkundigung steht, dann besteht die Chance, den Anschluss tatsächlich durchzuführen.«
»Meine Güte.« Elizabeth lehnte sich zurück. Mit Ariel in den Armen erwog sie die Möglichkeiten, die sich ihr so plötzlich eröffnet hatten.
Von Anfang an hatte sie die Frage geplagt, was mit den einstmals havenitischen Planeten geschehen sollte, die gegenwärtig von alliierten Schutztruppen besetzt waren. Sie wusste, dass einige Parlamentsabgeordnete aus den Reihen von Cromartys Zentralisten und der Kronenloyalisten insgeheim auf die Annexion hofften – eine Lösung, durch die sich die Ausdehnung und die Bevölkerung des Sternenkönigreichs beträchtlich vergrößern würde. Wenn man mit der größten Sternnation in der Nachbarschaft im Krieg lag, war das nicht zu verachten. Niemand hatte jedoch bislang gewagt, diesen Schritt vorzuschlagen, denn es stand fest, dass die oppositionellen Parteiführer sich gegenseitig über den Haufen rennen würden, um sich als Erster auf die Idee zu stürzen und sie bei der Geburt zu erwürgen.
Die Freiheitler wären entsetzt über den Gedanken, das Sternenkönigreich könne zu einem altmodischen, brutalen Imperium werden. Schon bei der Annexion von Basilisk hatten sie Krach geschlagen, und der einzige bewohnbare Planet dieses Sterns wurde von einer nichtmenschlichen Spezies bewohnt, die so primitiv war, wie man ihr nur begegnen konnte. Die Vorstellung, von Menschen besiedelte Welten zu vereinnahmen, lief ihrer Ideologie zutiefst zuwider.
Der Bund der Konservativen hingegen wäre noch mehr entsetzt. Die Konservativen waren isolationistisch bis auf die Knochen, und ihnen wäre der Gedanke unerträglich, gewaltige Zahlen neuer Untertanen aufzunehmen, die überhaupt nicht wussten, wie man sich in einer aristokratischen Gesellschaft bewegte (mit gesenktem Kopf und dem Hut in der Hand, wenn man vor jemanden trat, der über einem stand – so zumindest stellten es sich die Konservativen vor).
Den Progressiven wäre es vermutlich egal – solange sie auf den neuen Planeten nur ihre Partei etablieren und ihre Wahlkampfmaschinerie aufbauen durften. Allerdings ginge es wohl auch den Progressiven gegen den Strich, dass die neuen Bürger bereits politische Überzeugungen und Parteien besaßen, denn dadurch schmälerte sich das Potenzial, bei der nächsten Wahl einen höheren Stimmenanteil zu erzielen.
Und auch viele Manticoraner, die keiner Ideologie oder dem Kalkül des Wahlkampfvorteils verhaftet waren, wären gewiss sehr skeptisch, ganze Planeten voller Fremder dem Sternenkönigreich einzuverleiben. Sie würden die Sorge hegen, dass so viele fremde Elemente das einmalige Amalgam ausdünnen oder gar zerstören könnten, mit dem das Sternenkönigreich trotz der relativ geringen Bevölkerungszahl so weit gekommen war.
Königin Elisabeth III. verstand jeden einzelnen dieser Gründe und konnte zumindest letzteren ein
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