Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
deiner Stelle ließe ich die Bai in einem tieferem Blau färben.«
»Sehr komisch, Mutter«, entgegnete Honor streng und drückte die Türplatte. Die Öffnung schloss sich, und Honor wandte sich mit ernstem Gesicht ihrem keinerlei Reue zeigenden Elternteil zu.
»Was also hast du, schrecklicher Mensch der du bist, meinen armen Harringtonern nun schon wieder angetan?«
»Aber gar nichts, Liebes!« Allison senkte die Lider und blickte ihre hoch gewachsene Tochter durch die langen, dunklen Wimpern unschuldig an. Die Wimpern waren einer der vielen Vorzüge Allisons, um die Honor sie während ihrer Pubertät tief beneidet hatte (und Honors Pubertät war nicht nur von Unbeholfenheit geprägt, sondern auch noch vom Prolong in die Länge gezogen gewesen). »Überhaupt nichts. Sie scheinen nur so unfasslich auf Terminpläne und Signalverkehr fixiert zu sein. Ja, ich glaube sogar, dass ›fixiert‹ dafür noch viel zu milde formuliert ist. ›Besessen‹ trifft es eher, und wenn ich es mir recht überlege, dann weiß ich nicht, ob man es eventuell sogar als pathologischen Zustand betrachten muss. Hmm … In ihrem Erbbild habe ich keine Erklärung dafür gefunden, also muss ich es wohl übersehen haben. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir nämlich auf, dass dieser Zustand bei den Graysons geradezu allgegenwärtig ist. Jeder Einzelne von ihnen scheint darunter zu leiden, und –«
»Du hast ein ungewöhnlich boshaftes Wesen, Mutter«, entgegnete Honor ihrem zierlichen Gegenüber, »und mit deinem Gefasel lenkst du mich nicht davon ab, dass du meinen Harringtonern das Leben zur Hölle machst. Daran, dass Andrew und Miranda kein Wort über deine bevorstehende Ankunft heute Nachmittag verloren haben, hatte ich schon gemerkt, dass du etwas vorhast. Und clever wie ich bin, entnehme ich deinen sonst völlig unverständlichen Kommentaren, dass du Andrew und Simon deine voraussichtliche Ankunftszeit absichtlich verschwiegen hast. Könnte es sein, dass meine Deduktionskette zutrifft?«
»Das musst du von deinem Vater haben«, entgegnete Allison mit schwermütiger Missbilligung. »Aus meinen Genen stammt deine langweilige, plebejische Logik jedenfalls nicht! Auf Beowulf beruhen die kognitiven Prozesse auf der kreativen, intuitiven Manipulation von Begriffen, ohne dass man sich zu der Fadheit herablässt, ausgerechnet Vernunft auf sie anzuwenden. Weißt du denn nicht, wie sehr du einer sehr guten Anmaßung oder vorgefassten Meinung schaden kannst, wenn du auf diese Weise darüber nachdenken musst? Darum würde ich mich niemals auf solch eine Sünde einlassen.«
»Natürlich nicht«, stimmte Honor liebenswert zu. »Und meiner Frage weichst du immer noch aus. Als ich noch ein Kind war, hast du mir so etwas nie durchgehen lassen.«
»Natürlich nicht. Bei einem wohl erzogenen Kind wäre so etwas eine höchst unerfreuliche Angewohnheit.«
»Mutter!« Sprudelndes Gelächter zerstörte den Ernst von Honors Miene, und Allison kicherte.
»Tut mir Leid. Ich musste das einfach loswerden, nachdem ich die ganze Reise von Jelzins Stern an Bord der Tankersley in Gesellschaft von Jennifer und Mistress Thorns verbringen musste, nicht zu vergessen die Leibwächter. Zusätzlich wurde ich eingeengt von Gepäck, das für einen sechsmonatigen Ausflug in die sphinxianische Wildnis gereicht hätte. Sie sind alle sehr nett, und ich mag sie sehr, aber hast du je bemerkt, wie winzig die Tankersley ist? Ich wusste es gar nicht … bis ich entdeckt habe, dass es darin keine Stelle gibt, an die ich mich verkriechen könnte, wenn mir einmal nicht nach mustergültigem Benehmen zumute ist.«
»In deinem ganzen Leben hast du dich noch keinen vollen Tag lang mustergültig verhalten!«, schnaubte Honor. »Hm.« Sie neigte den Kopf. »Es sei denn, du wolltest mit deinem Charme, deinem liebreizenden Lächeln und deinen Grübchen irgendeinen armen, ahnungslosen Mann zu irgendetwas bewegen«, räumte sie ein.
»Oh, mir fallen zwei oder drei Gelegenheiten ein, zu denen ich mich benommen habe, um eine Frau zu irgendetwas zu bewegen«, sagte Allison und seufzte. »Das war natürlich vor deiner Geburt«, fügte sie schwermütig hinzu.
»Zwo oder drei? Bist du sicher, dass du von so vielen Frauen etwas wolltest? Mir klingt das wie eine gewaltige Übertreibung, vor allem, wenn man bedenkt, wie restlos heterosexuell du veranlagt bist. Übrigens bist du noch nicht einmal hundert Jahre alt, weißt du.«
»Ich bin sicher , dass es zwei waren, und ich glaube , es
Weitere Kostenlose Bücher