Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
Bedürfnis, den Opfergaben, dem Tod und der Vernichtung durch den Krieg den Rücken zu kehren und sich etwas Positivem, Lebensbejahendem zuzuwenden.
Aus diesem Grund zeigten die Umfragen, dass die Wählerunterstützung für die Zentralisten langsam, aber konstant nachließ. Längst noch nicht waren die Begleitumstände gegeben, unter denen High Ridge eine zeitlich präzise abgepasste Wahl abhalten lassen wollte, und es war unwahrscheinlich, dass etwas geschah, wodurch die Zentralisten ihre Position als stärkste Fraktion im Unterhaus einbüßten. Schon gar nicht, wenn die allgemeinen Wahlen aus den ›Beobachtern‹ von San Martin automatisch gleichberechtigte Parlamentsabgeordnete machen würden. Doch wenn sich die Trends wie berechnet fortsetzten, würden die Zentralisten trotz der Abgeordneten von San Martin mit fast völliger Sicherheit ihre absolute Mehrheit verlieren. Besonders die Freiheitler gewannen ständig an Boden, und auch deswegen würde New Kiev wohl kaum das Boot zum Kentern bringen wollen. Es war absolut entscheidend, die neuen Einschnitte unbemerkt an der Opposition vorbeizuschmuggeln.
High Ridge ermahnte sich erneut, nicht den Abscheu der Gräfin vor den Taktiken zu unterschätzen, die ihr die Pragmatik aufzwang. Außerdem durfte er niemals vergessen, dass einem guten Freiheitler alles als Ketzerei erschien, was auch nur nach Imperialismus und territorialer Expansion aussah, während ein Progressiver darüber vielleicht ganz anders dachte. Zeit, die Wogen ein wenig zu glätten, beschloss er, und warf Descroix einen zügelnden Blick zu, bevor er sich New Kiev zuwandte.
»Niemand hier verfolgt irgendwelchen imperialen Ehrgeiz, Marisa«, sagte er ernst. »Dennoch müssen wir schon allein wegen der Sicherheitsprobleme, die uns die Regierung Cromarty durch die Annexion von Trevors Stern eingebrockt hat, auf einigen Konzessionen der Haveniten bestehen. Es wird aber auch Zeit, dass sie endlich mal ein wenig nachgeben. Wir sind ihnen schon außerordentlich entgegengekommen, indem wir dem allgemeinen Austausch der Kriegsgefangenen zustimmten, ohne dass wir mehr in der Hand hatten als ein Waffenstillstandsabkommen.«
New Kiev musterte den Premierminister einige Sekunden lang, dann nickte sie nachdenklich. Descroix hingegen, die darauf vertraute, dass New Kiev woandershin blickte, verdrehte zynisch die Augen. ›Gefangenenaustausch‹ klang sehr großzügig, doch eigentlich hätte New Kiev so gut wie sie wissen müssen, dass das Sternenkönigreich ihn nicht aus Gutherzigkeit oder Kompromissbereitschaft vorgeschlagen hatte. Die Manticoranische Allianz hatte weit mehr Kriegsgefangene gemacht als die Volksrepublik, und allein die Kosten für die Ernährung und Unterbringung der Gefangenen loszuwerden, wäre schon dieses Entgegenkommen wert gewesen. Hinzu kam noch der gewaltige PR-Vorteil, sich als die Regierung darzustellen, die ›ihre eigenen Männer und Frauen wieder nach Hause geholt‹ hatte …
»Haven müsste eigentlich genauso gut wissen wie wir, dass das nächste größere Zugeständnis von seiner Seite kommen muss«, fuhr High Ridge in nüchternem Ton fort. »Außerdem muss der Republik klar sein, dass territoriale Konsequenzen aus unseren neuen Sicherheitsbedürfnissen heraus unvermeidbar sind. Dennoch beruht jeder Vorschlag Giancolas darauf, dass wir als Erstes die besetzten Sonnensysteme zurückgeben sollen. Völlig undenkbar, dass irgendeine manticoranische Regierung auf solch eine Forderung eingeht, nachdem die Eroberung besagter Systeme unser Militär so viele Menschenleben gekostet hat.«
Das war zwar nicht ganz korrekt, doch darüber sah High Ridge gern hinweg. Die Haveniten bestanden tatsächlich auf der Rückgabe aller besetzten Planeten, doch jedem im Außenministerium war klar, dass damit nur eine Ausgangsposition definiert werden sollte, von der man im Laufe der Verhandlungen jederzeit abweichen konnte. Und im Gegensatz zu New Kiev wusste High Ridge, dass Descroix' letzter Bericht an das Kabinett absichtlich Giancolas jüngsten Vorschlag verschwiegen hatte. Giancola wollte eventuell einzelnen Sonnensystemen erlauben, durch Volksentscheide zu bestimmen, von welcher Seite sie kontrolliert werden wollten – selbstredend würden diese Volksentscheide von der Republik beaufsichtigt werden.
Wahrscheinlich ist es ganz gut, dass ich darauf nicht eingegangen bin , dachte High Ridge, als er sah, wie New Kiev bei der Erwähnung des Militärs ganz leicht den Mund verkniff.
Sie teilte zwar
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