Honor Harrington 19. Der Schatten von Saganami
Dame Beatrice nur und trat zur Seite.
Honor atmete tief durch und ging zackig zu dem Rednerpult. Sie stellte sich dahinter auf, groß und gerade. Nimitz saß reglos wie eine Statue auf ihrer Schulter und blickte in das funkelnde Meer aus jungen Augen. Sie erinnerte sich an ihren Letzten Appell. Sie erinnerte sich, eine der Raumkadettinnen hinter diesen Augen gewesen zu sein. Erinnerte sich, wie Nimitz auch an jenem Tag auf ihrer Schulter saß, während sie zu Commandant Hartley hochsah und die geheimnisvolle Bindung zu ihm genauso spürte wie alle anderen Middys, wie alle anderen Offiziere, die vor ihr das Schwarz und Gold des Sternenkönigreichs getragen hatten. Und nun war es an ihr, vor einem neuen Arsenal heller, brünierter Klingen zu stehen, ihre Jugend zu sehen, ihre Hoffnungen - und ihre Sterblichkeit. Um all das wahrhaft zu empfinden, denn diesmal schmeckte Honor sie, die gedämpfte, aber dennoch tatendurstige Erwartung und Einigkeit, von der alle ergriffen waren.
»In wenigen Tagen«, sagte sie schließlich in die Stille, »werden Sie sich zum ersten Mal zu einer echten Verwendung an Bord eines Kampfschiffes melden. Ich hoffe, dass Ihre Ausbilder Sie auf diese Erfahrung angemessen vorbereitet haben. Sie stellen unsere besten, klügsten Köpfe dar, die neusten Glieder in einer Kette von Pflicht, Verantwortung und Opferbereitschaft, die auf dem Amboss von fünf Jahrhunderten Raumdienst geschmiedet wurde. Sie nehmen eine schwere Last auf sich, die einigen von Ihnen den Tod bringen kann und bringen wird.«
Sie hielt inne, lauschte dem Schweigen und spürte sein Gewicht.
»Ihre Ausbilder hier auf der Insel haben ihr Bestes getan, um Sie auf diese Bürde vorzubereiten, die Realität. Doch in Wahrheit, Ladys und Gentlemen, kann niemand Sie wirklich darauf vorbereiten. Wir können Sie unterrichten, ausbilden, Ihnen das Gesamtbild unserer Erfahrungen mitteilen, aber niemand kann im Feuerofen bei Ihnen sein. Die Hierarchie, Ihre Vorgesetzten, die Männer und Frauen unter Ihrem Befehl - alles wird bei Ihnen sein, und dennoch stehen Sie in dem Augenblick, in dem Sie der Pflicht und der Sterblichkeit wahrhaft ins Gesicht sehen, allein da. Und darauf, Ladys und Gentlemen, könnte Sie keine Ausbildung und kein Lehrer jemals wirklich vorbereiten.
In jenem Moment haben Sie nur vier Dinge zur Hilfe. Ihre Ausbildung, die wir so umfassend, so herausfordernd und so streng gestaltet haben, wie wir nur konnten. Ihren Mut, der nur von innen kommen kann. Ihre Treue zu den Männern und Frauen, mit denen Sie dienen. Und die Tradition von Saganami. Einige von Ihnen, die meisten sogar, werden sich der Herausforderung dieses Augenblicks gewachsen zeigen. Einige werden alles aufbieten, was in ihnen steckt, und entdecken müssen, dass alle Ausbildung und aller Mut im ganzen Kosmos niemanden unsterblich machen. Und einige, hoffentlich nur sehr wenige, werden unter der Last jenes Augenblicks zerbrechen.«
Während jedes Auge im Simulator sie ansah, hätte schon das Geräusch eines einzelnen Atemzugs ohrenbetäubend laut geklungen.
»Im ganzen Universum gibt es keine furchteinflößendere, gefährlichere und ehrenwertere Aufgabe als die, zu der Sie gerufen werden, die Last, die Sie freiwillig für Ihre Königin und Ihr Königreich, Ihren Protector und Ihren Planeten tragen wollen, für das Volk, dem Sie dienen. Sie haben sich aus eigenem freiem Willen entschieden, mit Ihrem Leben für die Menschen und Sternnationen, die Sie lieben, gegen ihre Feinde einzutreten. Zu kämpfen, um sie zu verteidigen, zu sterben, um sie zu schützen. Diese Last haben schon andere vor Ihnen geschultert, und wenn Ihnen auch niemand wirklich beibringen kann, was das bedeutet und was es Sie kosten kann, ehe Sie es für sich selbst erfahren, so bleibt Ihnen dennoch viel von jenen zu lernen, die diesen Weg vor Ihnen gegangen sind. Und das, Ladys und Gentlemen, ist der Grund, weshalb Sie heute hier stehen, wie seit zwohundertdreiundvierzig T-Jahren jede Abschlussklasse von Raumkadettinnen und Raumkadetten am Vorabend ihrer Kadettenfahrt hier angetreten ist.«
Sie drückte einen Knopf am Rednerpult, und das Licht wurde heruntergeregelt. Einen Moment lang umgab sie nichts als eine dichte, samtene Dunkelheit, durchbrochen nur von den nadelspitzen Lichtpunkten der LEDs am Schaltfeld des Pultes, die wie einsame, verlorene Sterne in der Schwärze brannten.
Dann plötzlich gab es noch ein Licht. Ein Licht, das in den Tiefen des Simulators glühte.
Es war das aus
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