Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Bürgerin Commander genoß einen hervorragenden Ruf als Taktischer Offizier – einige behaupteten, ihre Talente in diesem Metier grenzten an Hexenkunst. Auch ihr früherer Volkskommissar hatte sie wärmstens empfohlen. Zum Glück für Foraker hatte Bürger Kommissar Jourdain in seinem begeisterten Bericht Honeker darauf aufmerksam gemacht, daß sie, sobald sie sich in eine Aufgabe vertieft hatte, unwillkürlich in sehr prärevolutionäre Redeweisen zurückverfiel. In Anbetracht ihrer Leistungen war Honeker – wie auch Jourdain – durchaus bereit, ihr einiges durchgehen zu lassen, und am meisten gefiel ihm an ihr, daß sie niemals auch nur im Traum daran dachte, ihren Rücken durch ausweichende Erwiderungen zu decken. Wenn jemand ihr eine Frage stellte, so antwortete sie darauf unumwunden, besten Wissens und Gewissens; und das wurde in der Volksflotte leider immer seltener. In seinen ehrlichen Momenten wußte Honeker sogar, worauf diese Entwicklung zurückzuführen war, doch zog er es vor, nicht allzu gründlich darüber nachzudenken.
»Besonders unsere Daten über Micah sind sehr lückenhaft«, sagte Foraker. »Wir glauben , daß sich dort ein leichter manticoranischer Kampfverband befindet – ein paar Divisionen Wallschiffe, dazu Flankensicherung durch graysonitische und cascesische Einheiten. Zumindest ist dieser Verband einmarschiert und hat uns das System abgejagt, und ich halte es für vernünftig anzunehmen, daß er immer noch da ist, jedenfalls so lange, bis wir das Gegenteil beweisen können.«
»Dem kann ich nur zustimmen«, meinte Honeker fest. Er wußte nicht, ob Tourville diese vorsichtige Einschränkung in Frage gestellt hätte, und legte es auch gar nicht darauf an, dies herausfinden. »Und Adler?«
»Ich glaube, dort sind wir besser im Bilde, Sir«, antwortete Foraker. Sie rief Daten aus ihrem Terminal ab, um ihr Gedächtnis aufzufrischen, bevor sie fortfuhr: »Bei unserer letzten Zählung bestand der Vorposten im Adler-System aus einem einzigen Kreuzergeschwader und zwo oder drei Divisionen Blechbüchsen. Möglicherweise ist noch etwas hinzugekommen, aber wenn man bedenkt, daß wir seit über sechs Monaten in diesem Sektor weder Gegenangriffe noch Raids unternommen haben, bezweifle ich sehr, daß diese Verstärkung sehr groß ausgefallen ist. Die Allianz hat zuwenig Schiffe, Bürger Kommissar. Man zieht alle verfügbaren Einheiten aus den ruhigen Regionen ab, um die nächste Offensive starten zu können.«
»Und genau deshalb ist unsere Operation wichtiger, als ihr Umfang zunächst erscheinen läßt«, betonte Tourville und fuchtelte mit seiner Zigarre, als wäre sie ein qualmender Taktstock. »Wie ich schon sagte, Bürger Kommissar – die Mistkerle werden einfach zu selbstsicher. Sie setzen voraus, daß wir keinen Gegenangriff mehr starten, weil wir es bisher schließlich auch nicht getan haben. Aber wenn wir sie ein paarmal gut treffen und dadurch desillusionieren, dann werden sie die örtlichen Vorposten schon verstärken. Dazu müssen sie aber leichte Kräfte von ihrer Offensivstreitmacht abziehen, die sie gegen Barnett schicken – oder sonstwohin, was das betrifft.«
»Ich habe die Absicht hinter unserer Order durchaus begriffen, Bürger Admiral.« Honeker klang spürbar autoritärer als zuvor, doch Tourville grinste nur, und der Volkskommissar unterdrückte ein innerliches Aufseufzen. Jeder in diesem Besprechungsraum wußte, daß er als Volkskommissar des Geschwaders dessen eigentlicher Kommandeur war. Ein Wort von ihm, und jeder beliebige dieser Offiziere ›verschwand‹. Auch Tourville war nicht dagegen gefeit. Warum also kam er sich vor wie ein geplagter Pfadfinderleiter, den eine Bande von Zehnjährigen schikanierte? So sollte es nicht sein …
»Na schön«, sagte er schließlich. »Ich gehe davon aus, daß Sie Bürgerin Commander Forakers Empfehlungen folgen werden?«
»Natürlich folge ich ihnen«, rief Tourville heiter. »Shannon hat genau die richtige Idee, Sir. Rein ins Adler-System, bevor man dort ahnt, daß wir kommen, und genügend Mantieschiffe abknallen, damit sie uns beachten und mehr Vorpostenschiffe in diese Region verlegen.«
»Wann können wir auslaufen?« fragte Honeker.
»In sechs Stunden, Sir«, antwortete Bogdanovich anstelle seines Geschwaderchefs. »Wir sind voll aufmunitioniert, und unsere Ersatzteillager quellen über. Innerhalb der nächsten sechs Stunden werden wir mit Reaktorbrennstoff betankt. Nach dem Alarmbefehl des Flottenstabs bezweifle ich
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