Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
weil keiner von ihnen es gewagt hätte, Elisabeths ›Einladung‹ abzulehnen. Es gelang ihm, nicht vor Abscheu zu schnaufen. Offenbar hat es mich zum Zyniker gemacht, dass ich mein Leben der Politik gewidmet habe. Daran gibt’s wohl nichts zu deuteln. Aber ich weiß so gut wie Elisabeth, dass einige der Damen und Herren hinter uns am liebsten tanzen würden vor Freude über das, was die Havies verbrochen haben. Sie dürfen es nur leider nicht zugeben, weil es ihnen bei den nächsten Wahlen den Hals brechen würde.
Erneut atmete er tief durch, als der Leichenzug schließlich auf den Platz vor der King Michael’s Cathedral gelangte. Die Verfassung des Sternenkönigreichs verbot zwar die Errichtung einer Staatsreligion, doch war das Haus Winton in den letzten vierhundert Jahren zweitreformiert-römischkatholisch gewesen. König Michael hatte den Bau der Kathedrale, die nun seinen Namen trug, mit Privatmitteln der königlichen Familie im Jahre 65 n. d. L. begonnen – nach der Zeitrechnung der ganzen Menschheit 1528 Post Diaspora –, und seither war hier jeder Angehörige der königlichen Familie zur letzten Ruhe gebettet worden. Das letzte Staatsbegräbnis in King Michael’s lag neunundreißig T-Jahre zurück, so lange war König Roger III. schon tot. Nur elf Menschen, die nicht zum Königshaus gehört hatten, lagen hier ›begraben‹, und drei dieser elf Grüfte waren leer.
Wie auch das der zwölften Nicht-Winton , dachte Cromarty finster, denn er bezweifelte, dass Honor Harringtons Leichnam selbst nach der Niederlage der Volksrepublik jemals auftauchen würde. Dennoch würde sie in angemessener Gesellschaft ruhen, denn die leere Gruft, die ihr zugedacht war, lag zwischen den gleichfalls leeren Kammern von Edward Saganami und Ellen D’Orville.
Vor der Kathedrale hielt der Trauerzug an, und eine handverlesene Ehrenwache von Portepee-Unteroffizieren der Navy und des Marinecorps marschierte in perfektem, uhrwerkhaften Gleichschritt die Stufen hinab, gesteuert vom stoischen, kummervollen Schlag der Trommel. Ein zierlicher, weiblicher Colonel der Marines folgte ihnen. Von ihrem schwachen Hinken abgesehen, bewegte sich die schwarzhaarige Frau ebenso exakt wie die Ehrenwache und salutierte mit makelloser Präzision vor dem weiblichen Captain, der das Schwert trug. Dann nahm sie die in der Scheide steckende Waffe in die eigenen, ebenfalls behandschuhten Hände, führte eine perfekte Kehrtwendung aus, während die Ehrenwache den Sarg von der Protze hob, und führte sie in langsamem Schritt die Stufen hinauf.
Die Trommlerin schloss sich an, ohne je in ihrem langsamen Schlag innezuhalten, bis sie an der Schwelle der Kathedrale anlangte und stehen blieb. Im gleichen Augenblick verstummten die Trommelschläge, und stattdessen drang die volle, traurige Musik von Salvatore Hammerwells ›Lament for Beauty Lost – Klage um verlorene Schönheit‹ aus den Lautsprechern.
Cromarty atmete tief durch und drehte sich endlich zu den Trauergästen um, die hinter ihm standen. Königin Elisabeth stand an ihrer Spitze, neben sich Prinzgemahl Justin, Kronprinz Roger, seine Schwester Prinzessin Joanna und Königin Mutter Angelique. Elisabeths Tante, Herzogin Caitrin Winton-Henke und ihr Ehemann Edward Henke, der Earl von Gold Peak, standen gleich dahinter, zwischen ihrem Sohn Calvin und Elisabeths beiden Onkeln, Herzog Aidan und Herzog Jeptha, dazu Aidans Frau Anna. Captain Michelle Henke, die das Schwert von Harrington getragen hatte, gesellte sich vor den Stufen der Kathedrale zu ihren Eltern und ihrem älteren Bruder, und damit war der engste Familienkreis der Queen komplett. Nur ihr jüngerer Bruder, Prinz Michael, war abwesend, denn er diente als Sternen-Schiffkommandant, und sein Schiff befand sich gegenwärtig in der Nähe von Trevors Stern.
Cromarty verbeugte sich vor seiner Königin und deutete formell einladend auf die Türen der Kathedrale, woraufhin Elisabeth ihm ebenso zeremoniell zunickte. Dann drehte sie sich um, und sie und ihr Mann führten die schimmernde Menge der offiziellen Trauergäste hinter dem Sarg die Stufen hinauf.
»Mein Gott, wie ich Begräbnisse hasse. Besonders, wenn ausgerechnet jemand wie Lady Harrington zu Grabe getragen wird.«
Cromarty blickte auf, als er Lord William Alexanders leise und zugleich bittere Feststellung hörte. Alexander war der Schatzkanzler, nach Cromarty der zweite Mann im Kabinett des Herzogs. Mit einem Teller Horsd’oeuvres stand er vor dem Premierminister und musterte
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