Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
genug, um eine Fälschung zu durchschauen. Wenn man in dieser Frage auf den Prinzipien beharre, würde dies nur dazu führen, dass man sie ebenfalls der Volksrepublik verwies, und fromm fügten sie hinzu, dass dann aus Haven nichts weiter als die Darstellungen der Öffentlichen Information kämen, ohne dass unabhängiger Journalismus der Propaganda entgegenwirkte. Persönlich hielt Cromarty ihr hochethisches Argument der ›unabhängigen Berichterstattung‹ (ebenso wie das angebliche Vertrauen in die Urteilskraft des Zuschauers) für nichts weiter als Verneblung im alles bestimmenden Kampf um Einschaltquoten, doch was er dachte, spielte leider keine Rolle. Solange das Sternenkönigreich und die Manticoranische Allianz nicht eine ähnlich repressive ›Informationspolitik‹ probierte – was die eigenen Nachrichtenagenturen niemals geduldet hätten –, besaß er keine Möglichkeit, es den Haveniten heimzuzahlen. Erst ein anständiger Denkzettel würde die Journaille der Solaren Liga so sehr beeindrucken, dass sie sich um mehr Rückgrat bemühte.
»Wenigstens berichten sie in aller Ausführlichkeit über das Begräbnis«, sagte der Herzog nach kurzem Nachdenken. »Das muss doch etwas bewirken – selbst bei den Sollys.«
»Drei Tage höchstens«, erwiderte Alexander nach einem weiteren, kaum weniger bitteren Schnauben. »Dann passiert irgendetwas anderes, was die unendlich kurze Aufmerksamkeit ihres Publikums erregt, und dann dürfen wir wieder zusehen, welchen Schaden diese Ausbünde an Feigheit uns zufügen.«
Cromarty empfand plötzlich echte Besorgnis. Die Alexander-Brüder kannte er schon seit seiner Kindheit und war dem berühmten Alexander’schen Temperament öfter ausgesetzt gewesen, als ihm wünschenswert erschien. Doch diese Art frustrierter, kaum unterdrückter Wut sah William überhaupt nicht ähnlich.
»Ich glaube, du siehst das Ganze ein wenig zu schwarz«, sagte er schließlich. Alexander blickte ihn finster an, daher wählte er seine nächsten Worte mit Vorsicht. »Gewiss haben wir gute Gründe zu behaupten, dass die solarischen Nachrichtenagenturen sich von den Havies benutzen lassen, aber ich glaube trotzdem, dass die Büroleiter Recht haben, jedenfalls bis zu einem bestimmten Punkt. Die meisten Solarier werden wissen, dass die Havies oft lügen, und werden Berichte aus der VRH mit entsprechender Vorsicht betrachten.«
»Den Umfragen zufolge aber nicht«, entgegnete Alexander barsch. Er schaute sich noch einmal um, beugte sich näher zu Cromarty und senkte die Stimme. »Ich habe heute Morgen die neusten Ergebnisse erhalten, Allen. Zwei weitere Mitgliedsregierungen der Liga haben ihre Ablehnung des Embargos verkündet und zu einer Abstimmung aufgerufen, um es auszusetzen. Außerdem haben wir nach den jüngsten Zahlen von UFI in den öffentlichen Meinungserhebungen weitere eineinviertel Prozentpunkte verloren. Und je länger die Havies den Sollys ihre Lügen eintrichtern, ohne dass sie von jemandem infrage gestellt werden, desto schlimmer wird es. Teufel, Allen! Wahrheit neigt dazu, umständlich, vertrackt und kompliziert zu sein; eine wohlgeschmiedete Lüge wirkt dagegen fast immer glaubhafter – oder zumindest klarer –, und auf jeden Fall sehr viel einfachen. Das weiß Cordelia Ransom genau. Ihre Schergen in der Öffentlichen Information feilen so lange an den rauen, unangenehmen Kanten der Wahrheit herum, bis sie mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun hat, aber sie liest sich dann verdammt gut, besonders für Menschen, deren Sonnensystem bisher noch nicht auf der Liste der künftigen havenitischen Kriegsziele steht. Und auf verrückte Weise macht der Umstand, dass wir ein Gefecht nach dem anderen gewinnen, das Ganze für die Sollys nur umso glaubwürdiger. Um Gottes willen, fast kommt es mir vor, als würden die Havies mit jeder Schlacht, die wir gewinnen, noch ein wenig mehr zu armen ›Underdogs‹!«
»Vielleicht«, gab Cromarty zu und hob leicht die Hand, als Alexanders Augen aufblitzten. »Also gut, wahrscheinlich! Aber die stärker industrialisierten Ligawelten sind wegen des Embargos schon immer sauer auf uns gewesen, Willie. Du weißt, wie böse sie darüber waren, dass ich ihnen in wirtschaftlicher Hinsicht die Pistole auf die Brust gesetzt habe! Glaubst du wirklich, sie brauchten sich erst havenitische Propaganda anzusehen, um sich über uns aufzuregen?«
»Natürlich nicht! Aber darauf will ich auch gar nicht hinaus, Allen. Ich will auf etwas anderes hinaus: Wir
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